Nachdem der FDP vom ewigen Widerstreit des Liberalismus zwischen kapitalistischem Fatalismus und demokratischem Universalismus in den letzten Jahrzehnten die eine Seite allmählich abhanden gekommen ist (Das sogenannte „Aussterben“ der „echten“ Liberalen.), dürfte es allgemeiner Konsens sein, dass den Part der kulturellen und ethischen Unterfütterung des kapitalistischen Staatswesens mittlerweile die SP übernommen hat.
Dass in diesem Moment der Spott der Liberalen nicht auf sich warten lässt, liegt auf der Hand. Können sie doch damit die lästige Aufgabe, das eigene System mit prinzipiell antikapitalistischen Umtrieben vor dem Abgleiten in die Barbarei zu bewahren, einerseits in weit zuverlässigeren Händen wissen und andererseits die Sache nach Belieben denunzieren und also hoffen aus der vertrackten Notwendigkeit noch Kapital zu schlagen; indem sie offen bekämpfen dürfen, was sie heimlich brauchen. (Auf einem anderen Blatt steht, dass diese Rechnung für die FDP wohl doch nicht aufgeht, da es den einarmigen Liberalismus in Form der SVP bereits gibt und solange die FDP doch insgeheim über die Arbeit der SP froh ist – eine Liaison, die sie nur um den Preis der Selbstauflösung preisgeben kann – wird sie nie deren Dreistigkeit und also Beifall erreichen.)
Wie sieht nun dieser Spott aus? Matthias Daum zum Beispiel gibt zu dieser Sachlage in Die Zeit (40/2014) folgenden Kommentar:
„Die Revolution? Heute kommt sie von rechts. Die Linke hingegen ist zu einer bewahrenden Kraft geworden. Wird der Sozialstaat von SVP und Medienboulevard in die Zange genommen, dann sind es SP und Gewerkschaften, die ihn verteidigen. So absurd es klingt: Die SP ist die wichtigste staatstragende Partei in einem stockbürgerlichen Land. Sie stellte sich nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am entschlossensten gegen die SVP. Sie bietet ohne Wenn und Aber den Extremisten Paroli, die den Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention fordern. Sie trägt kein “liberal” im Parteinamen, verteidigt aber die Grundwerte, auf die ein freiheitlicher Staat baut.“
Und Daum empfiehlt daher der SP, sie solle endlich auf das Politikmittel der Initiativen verzichten. Aber nicht, weil die Volksbefragung in diesen Zeiten, wo die neoliberale Ideologie eine derart umfassende Hegemonie erreicht hat, dass sie jede Krise mit noch mehr Neoliberalismus verwalten kann, der Linken im Moment tatsächlich nichts bringt, sondern weil er der SP andichtet, wie sehr sie doch an den Schalthebeln der Macht sitze und sie es daher nicht nötig habe, über Initiativen Oppositionspolitik zu betreiben.
Die heimliche Pointe des Daumschen Spottkommentars liegt darin, dass er der SP empfiehlt, die Einarmigkeit der FDP zu kopieren und also den inneren Widerstreit der Sozialdemokratie, nämlich die Notwendigkeit, das fundamentale Bekämpfen dessen, was man im Namen von Demokratie und Menschenrechten unterfüttert, den kapitalistischen Staat, endlich sein zu lassen. Die Aufhebung der inneren Widersprüche in reine Affirmation des faktischen Soseins und deren fatale Folgen für die Gesellschaft hat vor genau 50 Jahren Herbert Marcuse in seinem Buch „Der eindimensionale Mensch“ beschrieben. Dem einarmigen Banditen FDP aber käme die einarmige SP gerade recht.