Zur Sozialen Frage heute (4): Die Soziale Frage als Ausdruck individuellen Leidens in der Gesellschaft

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Die sogenannte Soziale Frage entstand als Folge der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der spannungs- und konfliktreiche Übergang von der Agrar- zur Fabrikarbeitsgesellschaft führte rasch zu sozialen Verwerfungen innerhalb des Kapitalismus und markierte gleichzeitig den Ausgangspunkt Sozialer Bewegungen sowie der Sozialen Arbeit. Das Departement Soziale Arbeit der Ostschweizer Fachhochschule (OST) lenkt mit dieser Beitragsreihe den Blick auf die Gegenwart: Wie stellt sich die Soziale Frage heute? Und wer macht sie sich zu eigen? Die unter dem Übertitel Zur sozialen Frage heute in loser Folge erscheinenden Beiträge untersuchen deren Folgen für die einzelnen Menschen wie auch für die Gesellschaft.

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Erwerbslosigkeit, Leiharbeit, Obdachlosigkeit, steigendes Armutsrisiko, ein Rechtssystem, das dem Kapitalverhältnis dient, das Gängeln von Hilfsbedürftigen, Prekarität in den Industrienationen – Schulden, Massenverelendung, Eltern, die ihre Kinder nicht mehr ernähren können an den Rändern Europas – geopolitische Kriege und Flucht in der Peripherie sowie eine weltweite Pandemie, welche diese Lage noch verschlimmert. In Bezug auf die aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen zeichnet sich eine ähnliche Ausgangsituation dar, als zu Zeiten der Sozialen Frage während der Industrialisierung. Konnten die Effekte der Sozialen Frage während der ersten Industrialisierung noch als „Klasse gegen Klasse“ beschrieben werden, hat sich die derzeitige Lage im High-Tech Kapitalismus bzw. der sog. Industrie 4.0 diffus verändert. Soziale Gerechtigkeit soll derzeit scheinbar nicht mehr in der Auflösung des gesellschaftlichen Widerspruchs zwischen „Arm und Reich“ hergestellt werden, sondern in der Absicherung der je egoistischen Lebensgrundlage mittels der Abschottung der eigenen Nation gegenüber „Anderen“.

Mit dem Abbau der sozialstaatlichen Sicherungen, so eine zentrale These Castels (2011), werden diese neuen Verelendungstendenzen, welche sich qualitativ von den historischen Missständen unterscheiden, verstärkt, weil sie sich vor dem Hintergrund bereits bestehender sozialstaatlich garantierter Sicherungsmechanismen abspielen (Castel 2011: 13; 20; 359; 401). Wie Dörre (2016) beschreibt, besetzen neuerdings rechtspopulistische und postnazistische Parteien die Frage nach sozialer Gerechtigkeit und deuten sie in einen rassistischen Verteilungskampf um, in dem die Teilhabe an sozialstaatlichen Leistungen an nationale, ethische, kulturelle bzw. rassistische Merkmale geknüpft werden. Beispielhaft kann hier die Rede des AfD-Politikers Björn Höcke auf einer AfD-Demonstration in Schweinfurt am 28.4.2016 herangezogen werden: „Die Soziale Frage der Gegenwart ist nicht primär die Verteilung des Volksvermögens von oben nach unten, unten nach oben, jung nach alt oder alt nach jung. Die neue deutsche Soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist die Frage nach der Verteilung des Volksvermögens von innen nach außen“. Trotz aller nationalen wie regionalen Besonderheiten der Rechten zeichnet in dieser Rhetorik ein gemeinsames Grundmuster ab. Die National-Sozialen verstärken und radikalisieren durch Ressentiments nicht nur das Prekariat, sondern auch Mittelklasse-Angehörige sowie gewerkschaftlich organisierte Lohnabhängige. Das Ergebnis dieses Spektakels ist ein Kampf Aller gegen Alle: Sesshafte gegen Geflüchtete, Lohnabhängige gegen Sozialhilfeempfangende, Einheimische gegen Ausländer.

 

In diesem Kampf «Aller gegen Alle» lässt sich eine Dekompensation des Sozialen entdecken: Konkurrenz, Vereinzelung, Hilflosigkeit, Entsolidarisierung. Als Folge der unterschiedlichen Ausprägungen des Kampfes «Aller gegen Alle», die durch die Kombination von ökonomischer Gewalt, ideologischer Verschleierungen und individuellen Bedürfnissen nach existentieller Sicherheit entstehen, sind auch subjektive Empfindungen darauf selbst widersprüchlich und vielfach in sich fragmentiert. Als Ausdruck dieser Überdeterminiertheit verschiedenartiger Empfindungen und Antworten auf die Verwirklichung je eigener Interessen verfolgen gesellschaftliche Akteur*innen auch unterschiedliche Bewältigungsstrategien. Hierbei repräsentiert der Kampf «Aller gegen Alle» nicht ausschließlichdie Interessen einzelner Individuen, sondern er ist vielmehr die Artikulation des Verhältnisses mehrerer Akteur*innen oder Fraktionen zueinander, verdichtet auf die Zuspitzung gesellschaftlicher Auseinandersetzungen in Bezug auf die ungleiche Verteilung von Teilhabemöglichkeiten an der gesellschaftlichen Produktion ihres je eigenen Lebens.

Für den Wunsch an eine andere, soziale Zukunft geprägt von existenzieller Sicherheit, gegenseitiger Hilfe und Anerkennung sind vielfältige Strategien und Maßnahmen entstanden (Paulus/Grubenmann 2020). Es sind aber auch Abwertungs- und Entwertungsstrategien zum Einsatz gekommen, welche „die Unterdrückung des Wunsches selbst wünschen und die eigene Ausbeutung sowie Hierarchisierungen begehrenswert erscheinen lassen“ (Deleuze/Guattari 1977: 150). Der permanente Konflikt zwischen den widersprüchlichen Artikulation einer anderen Zukunft, der Repression des Begehrens und der Umdeutung der Sozialen Frage als Selbstschuld oder verursacht durch ‚Fremdarbeiter‘, ‚Arbeitslose‘, ‚Asoziale‘, ‚Juden‘, ‚Muslime‘ etc., führt auch diejenigen, welche die aktuellen Lebensgrundlagen in Frage stellen, in Handlungswidersprüche. Diese zeigen sich darin, dass Subjekte unter den zugestandenen Verhältnissen versuchen sich einzurichten, sich versuchen mit den bestehenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abfinden und, dass sie unter diesen Bedingungen in Bestätigung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse versuchen, zumindest partiell, an diesen teilzuhaben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass indem die eigenen Interessen verfolgt werden, sie auch zugleich verletzt werden, weil mögliche Bündnispartner*innen für die Erweiterung der gemeinsamen Lebensbedingungen und Handlungsmöglichkeiten verloren gehen (Deleuze/Guattari 1977: 68; Holzkamp 1997).

Im Folgenden Artikel nutzen wir den Begriff Soziale Frage, um das Verhältnis von Gesellschaft und Individuum zu bestimmen und dementsprechend die Soziale Frage als Ausdruck gesellschaftlicher Leidensfragen von Individuen zu verstehen.Im Zeitverlauf betrachtet lassen sich in allen historischen Phasen der kapitalistischen Transformation ähnliche ökonomische Produktionsmechanismen und Leidensformen sowie Formen der Solidarität und Selbstorientierung entdecken. Die historischen Phasen gliedern sich wie folgt:

1. Mechanisierung in der Industrialisierung

2. Massenproduktion durch Fließbandarbeit im Fordismus

3. Automatisierung durch Roboter und Computer im Postfordismus

4. Digitalisierung der Arbeit in der Industrie 4.0

Diese Periodisierung des Kapitalismus hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sozialräumliche Dimension. D.h., kapitalistische Verhältnisse sind nicht nur von dem Wirken des Wertgesetzes in einer historischen Dynamik bestimmt, sondern auch von gesellschaftlichen Verhältnissen, denn laut Marx sind die sozialen Verhältnisse „eng verknüpft mit den Produktivkräften. Mit dem Erwerb neuer Produktivkräfte verändern die Menschen ihre Produktionsweise, der Art, ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, verändern sie alle ihre gesellschaftlichen Verhältnisse“ (MEW 4: 130). Dementsprechend haben die Arbeitsrevolutionen Auswirkungen auf die Lebensweisen und haben diese entsprechend verändert. In den historischen Perioden hat die Soziale Frage bzw. das Leiden an der kapitalistischen Produktionsweise zu unterschiedlichen Reaktionen und Maßnahmen geführt:

grafik paulus grubenmann

Abb. 1: Kapitalistische Perioden und Auswirkungen (Eigene Darstellung)

 

D.h. der Begriff Soziale Frage wird genutzt um gesellschaftliche Verwerfungen durch kapitalistische Produktionsweisen sowie der daraus folgenden Transformationen des Sozialen als auch Ausprägungen gesellschaftlichen Leidens zu beschreiben. Wenn von uns die Soziale Frage als Leidensfrage definiert wird, bedeutet das für uns auch, dass es Personen gibt, welche diese Frage stellen und dass diese Personen damit einen Mangel zum Ausdruck bringen; einen Mangel an Lebensmöglichkeiten, Gerechtigkeit, Teilhabe usw., und dass diese Personen empört sind über ihre nicht selbstverschuldete Lebenslage. Leiden verstehen wir aber nicht ausschließlich als Mangel, sondern auch als ein Begehren oder als einen Wunsch an eine andere künftige Lebensweise (Deleuze/Guattari 1977: 39). Den Wunsch oder das Begehren verorten wir damit nicht ausschließlich darin, dass Menschen etwas fehlt, dass sie etwas entbehren, sondern dass in der Äußerung der Sozialen Frage eine (Wieder-)Aneignung einer gesellschaftlichen Zukunft benannt wird. Die Soziale Frage ist demnach die Artikulation von kollektiven Wünschen an eine andere Zukunft.

Der Konflikt zwischen eigenen Bedürfnissen und Wünschen einerseits und Macht- und Herrschaftsverhältnissen inkl. gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten anderseits stellt Menschen vor eine unabweisbare schwierige Frage, die persönlich und auch gesellschaftlich entschieden werden muss, wie in Bezug zur Sozialen Frage gehandelt werden kann. Diese individuelle und soziale Positionsbestimmung, wie moralisch und ethisch in Bezug auf die Soziale Frage zu handeln ist, nennen wir die Gewissensfrage.  Für die Fragenden kann die Gewissensfrage auch mit einem schlechten Gewissen einhergehen. Denn dieses entsteht, indem etwas begehrt wird, aber gleichzeitig durch soziale Reglementierungen unterdrückt wird, weil die je eigene Existenz nur über die sozialen Reglementierungen Anerkennung erfährt und nicht über das Begehren. Somit entsteht ein innerpsychischer Konflikt zwischen Begehren und gesellschaftlichen Konvention (Butler 2001: 77). Die Gewissensfrage stellt somit einen Knotenpunkt bzw. Kristallisationspunkt dar, an dem das gesellschaftliche Gefüge, das kollektive Über-ich und das soziale Begehren mit normativen Konventionen und je individuellen Verhaltensweisen zusammentrifft.

Haben wir in unserem Buch Soziale Frage 4.0 (Paulus/Grubenmann 2020) auf die Periodisierung des Kapitalismus und dementsprechend auf die Auswirkungen der Arbeitsrevolutionen auf die Lebensweisen mittels regulations- und diskurstheoretischer sowie subjektwissenschaftlicher Perspektive fokussiert, stellen wir in diesem Artikel die Reaktionen auf die Soziale Frage aus Sicht der Sozialen Arbeit in den Vordergrund. Wir zeichnen jeweils den Institutionalisierungsprozess nach, verweisen auf die Diskursivierung und benennen spezifische Formen der Bedürftigkeiten. Dabei bildet die Gewissensfrage die analytische Verbindung zwischen Sozialer Frage und Sozialer Arbeit. Die Geschichte der Sozialen Arbeit ist gekennzeichnet von der inneren Zerrissenheit der Profession, indem es unterschiedliche Handlungsweisen im Umgang mit der Sozialen Frage gibt. Die Gewissensfrage stellt dabei den Knotenpunkt bzw. Kristatllisationspunkt dar. Die Soziale Arbeit, deren unterschiedlichen Akteure und Interventionsangebote hatten sich gesellschaftlich zu legitimieren. In der jeweiligen Ausprägung der Gewissensfrage widerspiegelt sich eine kollektive Legitimationsfigur der Hilfe, welche wiederum auf die Soziale Frage rekurriert.

 

1. INDUSTRIEALISIERUNG, die Entstehung der Sozialen Frage der Sozialen Arbeit und die sozialsittliche Gewissensfrage

Soziale Arbeit beginnt nicht erst mit der Industrialisierung und der Entstehung der Sozialen Frage, denn gesellschaftlich etablierte Formen der Hilfe und Fürsorge sind seit der Antike vorhanden. In dieser Phase nimmt sie aber eine spezifische Gestalt an, welche sowohl auf institutionalisierter Ebene als auch der Ebene der Diskursivierung eine besondere Wendung nimmt, die sich im Kern bis heute zeigt.

Im ausgehenden 18. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Armut und Bedürftigkeit durch ein breit differenziertes Netz abgefedert. Auf der einen Seite wurden v.a. auf Initiative privater bzw. religiös inspirierter Wohltäter Einrichtungen, Heime und Anstalten realisiert, welche zielgruppenspezifisch ausdifferenziert wurden. So existierten Zucht-, Besserungs-, Rettungs- und Arbeitsanstalten, die v.a. auf Erziehung zu moralisch-sittlichen Menschen setzten. Zunehmend wurden auch Erwachsene von Kindern und kranke von gesunden Menschen getrennt. Auf der anderen Seite existierten öffentlich, zunehmend staatlich getragene Armutsmaßnahmen (Sachße/Tennstedt 1980), welche sich im 19. Jahrhundert je nach regionaler Ausprägung von Sozialstaatlichkeit auch als Erziehung zum guten Staatsbürger und Arbeiter kontextualisieren lassen.

Exemplarisch lässt sich diese Entwicklung u.a. entlang der Aktivitäten und Diskurse der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) aufzeigen (Grubenmann 2007). Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft stellte ab 1810 einen Dachverband dar, der verschiedene gemeinnützige Ortsgesellschaften verband. Die Schweiz befand sich damals in einer staatspolitisch turbulenten Zeit, die erst 1848 mit der ersten Bundesverfassung zu einem vorläufigen Ende kam. Die private Wohltätigkeit hatte entsprechend im Bereich der Unterstützung und Vorbeugung von Armut verglichen mit anderen europäischen Ländern einen großen, dominanten Stellenwert. Die SGG setzte es sich zum Ziel, die Tätigkeiten im Felde der Fürsorge zu erfassen, um die Entwicklung im Bereich der Wohltätigkeit zu beeinflussen. So geht aus den Dokumenten der Jahresversammlungen jeweils hervor, dass in einem ersten Schritt die Erhebung von Tätigkeiten im fokussierten Bereich im Zentrum stand, um daraus dann Handlungsbedarfe abzuleiten. Die Rekonstruktion der Themenfelder in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt deutlich auf, dass Armut durchgängig über Pädagogisierungsmaßnahmen zielgruppenspezifisch verwaltet wurde. Bildung und Erziehung galt als zentraler Zugangsmechanismus zu der gefährdeten Bevölkerungsschicht der Armen, welche in rationalisierter Art und Weise über geeignete Settings ihrerseits Zugang zur Gesellschaft erhalten sollten. Geeignete Erziehungsarrangements für alle Lebenslagen bildeten die Grundlage. So wurde die Schulbildung für alle Bevölkerungsteile, die institutionelle Erziehung von Kindern aus moralisch-verwahrlosten Umständen und auch die Nacherziehung von schulentlassener Jugend und unsittlichen Erwachsenen als Aufgabe gemeinnütziger Armenfürsorge verstanden. Gerahmt wurden diese Arrangements über die grundlegende Überzeugung des Guten im Menschen und über eine ideale Orientierung an der bürgerlichen Familienkonzeption (Grubenmann 2007: 29ff). Dieser Zugang diente in gemeinnütziger Absicht nebst der Weckung der Seelenkräfte, der Erhaltung des noch jungen Staates.

„So fordert uns denn die heutige Zeit auf, die Tugend beim Volk intelligent zu machen, und dem Princip gemäss, das die Schweiz zum selbständigen Staat gemacht hat, dahin zu wirken, dass zu dessen Erhaltung unser Volk von Sittlichkeit aus wiedergeboren werde […]. Der Staat umfasst das ganze Leben: wir sind Glieder der bürgerlichen Gesellschaft von der Wiege bis zum Grabe“ (Verhandlungen 1844: 211f).

Mit dem Verweis auf die gemeinnützigen, philanthropischen Bestrebungen kann ganz allgemein die Bedeutung der sozialen Bewegungen für die Soziale Frage und die Institutionalisierung Sozialer Arbeit hervorgehoben werden. Während die Arbeiterbewegung auf die Verbesserung und Vorsorge sozialer Risiken innerhalb des Systems der Lohnarbeit fokussierte, nahm sich die bürgerliche Bewegung der konkreten Folgen der Lohnarbeit im Einzelfall an. Auch die öffentliche Fürsorge fokussierte zunehmend den Einzelfall als Grundlage für die Organisation der Hilfe.

Während auf der Ebene der Institutionalisierung der Sozialen Arbeit Armenunterstützungssysteme geschaffen wurden, zeigt sich auf der diskursiven Ebene die thematische Auslegung und diskursive Verhandlung der Sozialen Frage durch die Soziale Arbeit:

Die sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts zeichneten sich auch durch unterschiedliche Argumentationslinien bezüglich der Legitimation von Hilfe und Fürsorge aus. So führte ein erwachendes Klassenbewusstsein mit Unterstützung bürgerlicher Kräfte zu sozialpolitischem Engagement der Hilfe zur Selbsthilfe oder aber zur Forderungen nach einer Ausweitung des Versicherungswesens (Hering/Münchmeier 2000: 48). Die eher christlich begründete Philanthropie sah es als menschliche Pflicht an, aus Nächstenliebe zu helfen. Und das liberale bzw. republikanische Gesellschaftsverständnis führte die Motive von Gerechtigkeit und Gleichheit ins Spiel. Die diskursiven Motive der Hilfe lassen sich nicht immer eindeutig zuordnen. Aufschlussreicher für eine Orientierung ist hingegen das jeweilige Armutsverständnis bzw. die Theoretisierung und Erklärung von Armut.

Armut nimmt im 19. Jahrhundert die Gestalt des Pauperismus an. Bereits mit dieser begrifflichen Hinführung wird auf das massenhafte Auftreten eines Phänomens verwiesen, welches mithilfe der herkömmlichen Interventionsmechanismen nicht behoben werden kann. Zudem wird der Zusammenhang von Armut und Bedürftigkeit trotz Lohnarbeit betont. Vor diesem Hintergrund sind denn auch die zahlreichen europäischen Enqueten, welche nach englisch-amerikanischem Vorbild durchgeführt wurden, zu verstehen. Es sollte ein rationales Bild der Armut geschaffen werden, um aufbauend auf diesem Fundament, eine Erklärung für Pauperismus zu finden. Die Erklärungen selbst divergierten aber vor dem Hintergrund weltanschaulicher Prämissen. So kann auf der einen Seite die Dominanz der malthusschen Interpretation festgestellt werden, welche sich grundlegend von der marxschen Kapitalismuskritik unterschied. Die malthus’sche Bevölkerungstheorie besagt, dass die Zunahme der Bevölkerung nicht mit den Mitteln, die zur Ernährung und zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, korrespondieren. „Not und Elend als naturgesetzliche Gegebenheiten sind das einzig wirksame Mittel, das die Bevölkerungsentwicklung bremst: sie führen zur Verarmung, zur Wohnungsnot, zum Nahrungsmangel, zur erhöhten Sterblichkeit, und damit wird die Bevölkerung glücklicherweise, dezimiert“ (Scherpner 1974: 115). Die sozial-sittliche Sichtweise führt Armut auf ökonomische Umstände zurück, betont aber die moralischen Folgen. So werden die Lebensumstände wie Wohnungsverhältnisse, uneheliche Gemeinschaften, gemeinschaftliches Trinken in Wirtshäusern, Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen und geschlechtsspezifische Verwerfungen als dominante Einflussfaktoren auf moralische und unsittliche Verhaltens- und Lebensweisen gedeutet. Diese gilt es mit Aufklärungskampagnen und erzieherischen Angeboten zu unterbinden, was einer „Pädagogisierung der Sozialen Frage“ (Grubenmann 2007: 178ff) Vorschub leistete. Bürgerliche Lebensweisen und Tugenden wurden im Kontext der Armenfürsorge und Wohltätigkeit sowohl aus ökonomischen, staatspolitischen, wie auch aus moralisch-sittlichen Gründen als Leitfigur gegen Armut implementiert. Im Kontext guter Lebensführung wurde zudem der Terminus der Selbst- oder Fremdverschuldung eingeführt, der die Grundlage für das Maß an Unterstützungsleistungen bieten sollte, den Blick auf den Einzelfall richtete und den Armutsdiskurs über lange Zeit prägte.

Es kann konstatiert werden, dass sich die Bedürftigkeiten, denen sich die soziale Fürsorge und Armenfürsorge im 19. Jahrhundert widmete, entlang sozial-sittlicher Ansprüche äusserten. Soziale Fürsorge differenzierte im Kontext der Sozialen Frage ihre Angebote entlang neuer Zielgruppen. So befasste sich beispielweise der Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit in Deutschland ab 1880 mit verwahrlosten und misshandelten Kindern, mit Krankenpflege und Arbeitslosigkeit, mit Wohnungsfragen und Trunksucht, mit Obdachlosen und Straffälligen, mit Wöchnerinnen und schulentlassenen Kindern, mit Zufluchtsstätten für weibliche Personen, mit schwachsinnigen, taubstummen, blinden, verkrüppelten Personen, mit Tuberkulosefürsorge und Ausländerfürsorge, mit Säuglingssterblichkeit, mit Berufsvormundschaft, mit Mutterschutz und Mutterschaftsversicherung und mit Jugendfürsorge (Hering/Münchmeier 2000: 62). Indikation für eine Intervention waren nebst der Gefährdung für Leib und Leben und einer Sorge um den einzelnen Menschen, auch die Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Dies zeigt sich beispielsweise u.a. bei der Rede von Johann Hinrich Wichern zur Eröffnung des Rauhen Hauses, wo die familiären Umstände als derart verdorben und unsittlich beschrieben werden, dass die Kinder nur noch die Distanz zum Elternhaus und die Ersatzfamilie im Heim ‚retten‘ kann (Wichern 1998). Auch in allen zeitgenössischen Beschreibungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird der „Armut auf den Leib gerückt“ (Matter 2011), was sich in dichten Beschreibungen der körperlichen Verfasstheit, der schmutzigen Erscheinungen und des liederlichen Lebenswandels äußerte. Aufgrund des äußeren Zustands wird denn auch auf die innere Verfassung geschlossen. Ein Medium damaliger Abstinenz-Prävention waren Stummfilme und Lichtbildreihen, welche in kurzen Episoden, mögliche Verlaufsgeschichten des Abstiegs veranschaulichen sollten (Loperdinger/Vogl-Bienek 2011). Es setzt sich, so kann zusammenfassend festgehalten werden, zunehmend ein liberales, aufklärerisches Subjektverständnis fort, welches Menschen ein hohes Maß an Eigenverantwortung für ihr eigenes Schicksal zumutet. Gleichzeitig werden spezifische Gruppen dieser Verantwortung enthoben. So bilden Alter, Geschlecht, körperliche (Un-)Versehrtheit und Schicksal die Differenzmarkierungen, welche die unverschuldete Armut mitprägen und ein Recht auf Hilfe markieren. Der gesellschaftliche Schutz- und Schonraum zur Absicherung gewisser, sozialer Risiken wird allmählich implementiert, rechtlich ausgestaltet und institutionell gerahmt. Soziale Arbeit als Profession übernimmt in diesem historischen Moment die Funktion der Vermittlung und Hüterin dieses Schutz- und Schonraumes, setzt ihre Hilfe bei unverschuldeter Armut an und wird zur wichtigen Akteurin bei der Neu-Gestaltung des Sozialen.

Die Soziale Arbeit im Zeitalter der Industrialisierung lässt sich so als Reaktion auf die Soziale Frage begreifen. Dies zeigt sich in folgenden Aspekten:

  • Der Prozess der Institutionalisierung und Professionalisierung der Sozialen Arbeit entwickelt sich in historischer Arbeitsteilung mit sozialstaatlichen Arrangements und wird durch philantropisch-bürgerliche Deutungen von Armut dominiert.
  • Soziale Frage wird von Akteur*innen der Sozialen Arbeit pädagogisiert, so dass v.a. bürgerliche Tugenden und Pflichten als Maßstab erzieherischer Interventionen und moralische Argumentationen als Legitimation von Hilfe durch den Diskurs gestärkt werden.

Abschließend kann festgehalten werden, dass die sozialsittliche Gewissensfrage sich auf das Motiv der gegenseitigen Hilfe bezieht, sowohl für die Soziale Arbeit, der sozialen Bewegungen als auch der sozialstaatlichen Apparate – wenn auch mit unterschiedlichen Intentionen. Die Pädagogisierung der Sozialen Frage über die Soziale Arbeit klammert den Bezug von Armut zur kapitalistischen Produktionsweise weitestgehend aus und setzt demgegenüber am Subjekt, seinen Tugenden und Pflichten an, um das soziale Gefüge strukturell und ideologisch über die Art der Lebensführung der Subjekte zu stabilisieren.

 

2. FORDISMUS, die National-Soziale Frage und die eugenische Gewissensfrage

In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, wie sich die Soziale Frage der Sozialen Arbeit im Kontext des Fordismus entwickelt hat. Dabei wird der Zeitabschnitt zwischen dem Ende des ersten Weltkrieges (1914) bis 1970 mit Bezug in den Blick genommen.

Der Institutionalisierungsprozess Sozialer Arbeit war nach 1900 erst einmal geprägt durch einen Expansionseffekt für Ausbildungsgänge in sozialer Fürsorge sowohl für Frauen wie auch für Männer (Matter 2011), einer Verwissenschaftlichung des Wissens, einer Internationalisierung von Methoden (Gabriel/Grubenmann 2015), einer Verrechtlichung der Lebenslagen und einem Ausbau des Wohlfahrtsstaates (Paulus 2003, 2012). Die Interventionsangebote der Sozialen Arbeit wurden weiter ausdifferenziert und ausgebaut. Es gab stationäre Angebote für psychisch Kranke, für Behinderte, für Kinder, für ‚gefallene Mädchen‘, für Alkoholkranke etc. (Wolfisberg 2002), später für Kriegswaisen und Kriegsversehrte. Es wurden also die verschiedenen Berufsfelder der Kinderfürsorge, Behindertenfürsorge und Erwachsenenfürsorge etabliert, die nach je spezifischem Wissen verlangten. Voraussetzung für eine Intervention wurde es, den Fall als Fall zu erkennen – sprich über ein fundiertes methodisches Repertoire zu verfügen. Der Rekonstruktion der Fürsorgeinstruktionskursen der Schweiz ist zu entnehmen, dass die Fürsorgenden die Unterstützungswürdigkeit über eine modernisierte Einzelfallanalyse zu klären hatten (Matter 2011: 133ff). Damit setzte sich zum einen die Kategorisierung zwischen ‚würdig und unwürdig‘, zunehmend auch ‚brauchbar und unbrauchbar‘, fort. Alice Salomon, die Begründerin der ersten sozialen Frauenschule in Berlin, hingegen formulierte in Anlehnung an Mary Richmond die professionellen Ansprüche einer guten sozialen Diagnose. Es ging nicht um die Frage, ob jemand unterstützungswürdig sei, sondern um das bestmögliche Erfassen des Falles. Die Fallsammlungen dienten Anschauungszwecken und hatten immer auch zum Ziel, den Fürsorgerinnen eine gewisse Skepsis gegenüber alltäglich genutzten Urteilen zu vermitteln (Kuhlmann 2004). Inwieweit das Vermitteln einer Skepsis tatsächlich gelang, ist fragwürdig. Ramsauer zeigt in ihren Rekonstruktionen der Protokolle zu den Hausbesuchen der Fürsorgerinnen in der Stadt Zürich sehr deutlich auf, dass sich in die Beschreibungen von Wohnung, Haushaltsführung und Kinderpflege fortlaufend moralisierende Bewertungen sozialer Zustände ein- und fortschrieben (Ramsauer 2000: 126ff). „Die zentrale Kategorie in der fürsorgerischen Wahrnehmung war die moralische Qualität, indem die Fürsorgerinnen die ‚Verwahrlosung‘ als kausalen Faktor der familiären Probleme definierten“ (Ramsauer 2000: 142). Der Wandel der Konzeptionalisierung von Verwahrlosung und deren Implikationen für die Praxis der Kindswegnahmen in der Schweiz zeigt sich im Speziellen entlang der jugendfürsorgepolitischen Diskussionen zwischen 1900 und 1945. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchaus soziale und ökonomische Erklärungsmuster Berücksichtigung fanden, wurde Verwahrlosung zunehmend zu einem medizinisch erzieherischen Problem mit starker eugenischer Konnotation (Ramsauer 2000: 161ff). Auch in der Schweiz nahm die Bedeutung der psychiatrischen Diagnose über den Bereich der Kinder- und Jugendfürsorge hinaus, das Anlegen von Akten und die staatlichen Zwangsinterventionen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu. Großer Einfluss nahm dabei August Forel, der als Psychiater 1879 Direktor der ‚Irrenanstalt‘ Burghölzli in Zürich wurde und als Begründer sozialdarwinistischen Denkens in der Psychiatrie und somit auch Mitbegründer der Eugenik und deren Maßnahmen gilt. Heiratsverbote und Zwangssterilisationen für moralisch minderwertige Personen und die nationalangelegte Aktion der Pro Juventute, welche unter dem missverständlichen Titel „Hilfswerk für Kinder der Landstraße“ zwischen 1926 bis 1972 Kinder von Fahrenden systematisch fremdplatzierte (Galle 2016; Leimgruber/Meier/Sablonier 1998), waren breit akzeptierte Interventionen. Gerahmt wurden diese massiven Eingriffe über gesetzliche Neuregelungen des Zivilgesetzbuches in der Schweiz und des Reichs- und Jugendwohlfahrtsgesetzes in Deutschland, welche jeweils die Rechte des Kindes auf Erziehung bestimmten. Voraussetzung war es, vorab die Erziehungsfähigkeit der Eltern in Frage zu stellen. Dafür gab es vielfältige Begründungen, wobei dem Anlegen der Akte eine wachsende Bedeutung zukam (Wilhelm 2005). Das Aktenanlegen folgte zunehmend eugenischer Problembeschreibungen, welche Menschen als ‚brauchbar‘ oder ‚unbrauchbar‘ taxierten und letztlich die massiven staatlichen Eingriffe legitimierten. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Fürsorger_innen auch für präventive Maßnahmen eingesetzt. So sollten beispielsweise über die Hausbesuche, unwissende proletarische Mütter über die richtige Haushaltsführung, gesunde Ernährung, angemessene Kleidung etc. aufgeklärt werden, um die Säuglingssterblichkeit zu reduzieren, massive Krankheiten zu verhindern und so eine gesunde neue Generation heranzuziehen. Es waren also v.a. sozialhygienische Zielsetzungen, welchen die Präventionsmaßnahmen folgten (Grubenmann/Vellacott 2019).

Während der Institutionalisierungs- und Professionalisierungsprozess in der Schweiz kontinuierlich fortsetzte (Matter 2011), muss für Deutschland kriegsbedingt von einer Zäsur gesprochen werden. Zwar stand auch in der Schweiz die Fürsorge lange Zeit im Zeichen der Eugenik, was sich katastrophal auf die Ausgestaltung der fürsorgerischen Praxis auswirkte. Dennoch wurde die Volksfürsorge in Deutschland noch systematischer als Mittel zur Rassenhygiene genutzt.

In den 1950er Jahren war Deutschland mit den Kriegsfolgen beschäftigt, aber auch international stand Soziale Arbeit im Zeichen des Wiederaufbaus (Matter 2011: 271). In diesem Zusammenhang gab es verschiedene UNO-Austauschprogramme in deren Kontext v.a. Casework-Methoden rezipiert wurden. Wirtschaftliche Nöte standen nicht mehr im Zentrum der Interventionen, sondern vielmehr die psychosozialen Problemlagen.

In den 1960er/70er Jahren kann international und vor dem Hintergrund neuer sozialer Bewegungen ein Expansionsschub betreffend Reformen von Angeboten, Ausbildungsgängen und Akademisierungsbestrebungen festgestellt werden, der den Institutionalisierungsprozess nochmals beförderte und bis heute nachhaltig prägt.

Der Ausbau des Wohlfahrtsstaates in dieser Phase und die Aufgabenbereiche der Fürsorge vermochte zum einen soziale Risiken abzufedern, gleichzeitig schuf er über vielfältige Ausschlussmechanismen neue Risiken, welche sich insbesondere in den biologistischen, psychologischen Differenzlinien in die Körper und Seelen einschrieb. Die Methode des Social Casework kann als typische Antwort auf neue Formen von Bedürftigkeit bezeichnet werden. „Die psychologisch inspirierte Einzelfallhilfe schien schließlich auch die adäquate Antwort auf neue Formen von Bedürftigkeit zu sein“ (Matter 2011: 309). Nicht mehr die materielle Hilfe stand dabei im Vordergrund, sondern die psychosoziale Problemlage von Einzelnen oder Gruppen, wobei bei Letzteren das Groupwork oder die Gemeinwesenarbeit zum Einsatz kamen. Nebst der Familie und deren Kindern wurde die Gruppe der Jugend in der fordistischen Ära als bedürftige Gruppe entdeckt und in den Fokus verschiedenster Bemühungen genommen. Adressiert wurde sowohl der einzelne Jugendliche mit Bezug zur Verwahrlosung, wie auch zunehmend die gefährliche Jugendgang. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es gemäß Werner Lindner (2015) in Deutschland zwei Quellen, die die Jugendarbeit prägten: die Herausbildung einer staatlichen Jugendpflege und die Entstehung einer autonomen Jugendbewegung. Die staatliche Seite bemühte sich um die scheinbar verlorene Jugend, die an „die vaterländische Gesinnung und Wehrerziehung“ (Lindner 2015: 736) geführt werden sollte. Vor dem Hintergrund der Ausführungen lässt sich festhalten, dass Soziale Arbeit von einer bestimmten Lesart der Sozialen Frage, der eugenischen, in der fordistischen Phase vereinnahmt wird. Dies zeigt sich an folgenden Aspekten:

  • Soziale Arbeit entwickelt innerhalb der Profession Instrumente sozialer Diagnosen, die zur Durchsetzung sozialstaatlicher Eingriffe lückenlos anschlussfähig sind. Dies bildet u.a. auch die Grundlage, warum Soziale Arbeit durch Politik und Staat vereinnahmt wird.
  • Der Diskurs zur Sozialen Arbeit fokussierte zunehmend den Menschen und isolierte ihn von sozialen Tatsachen. In Teildiskursen der Sozialen Arbeit gab es kritische Einwürfe und Ansätze, diese wurden aber erst in der postfordistischen Phase rezipiert und wirksam.

Es verfestigt sich also ein Selbstverständnis Sozialer Arbeit, welches als zentrale Funktion die Sozial- und Systemintegration sieht. Dadurch wird sie auch zur ‚Zudienerin‘ machtvoller, gesellschaftlicher Instanzen. Hierzu anschlussfähig ist an ein Problembewusstsein innerhalb der Sozialen Arbeit, welches die Bedürftigkeiten immer auch als mögliche Gefahr für die Destabilisierung explizit benennt.

Die dominante, kollektive und moralische Auseinandersetzung und Orientierung der Soziale Frage in der fordistischen Ära bezieht sich auf eine Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik. Die rekonstruierte Geschichte der Sozialen Arbeit bezüglich ihrer Institutionalisierung, Diskursivierung und Bedürftigkeit untermauert diese analytische Klammer. So bezogen sich v.a. die Legitimationskriterien für differenzierte Interventionen im Fokus auf den Einzelfall an klar zu diagnostizierenden Differenzlinien wie ‚würdig – unwürdig‘, ‚brauchbar-unbrauchbar‘, ‚psychisch gesund – ungesund‘ und ‚normal – abweichend‘. Soziale Zustände wurden über lange Zeit hinweg, moralisierend bewertet und über das Anlegen von Fallakten zusätzlich bürokratisch verstetigt. Auch die präventiven Zugänge verfolgten sozialhygienische Ansprüche, welche sich nach dem zweiten Weltkrieg in psychosoziale Problembeschreibungen wandelten. Eugenische Maßnahmen waren staatspolitische Maßnahmen gegen Armut und die Antwort auf die Soziale Frage. So kann zusammenfassend festgehalten werden, dass sich sowohl Interventionen, als auch Präventionen, welche auch die Soziale Arbeit verfolgte, in der fordistischen Ära als Bemächtigung der Lebensführung bzw. „Kolonialisierung der Lebenswelt“ (Habermas 1981) fassen lassen und auch heute noch als besondere Herausforderung für Soziale Arbeit (Sommerfeld/Holenstein/Calzaferri 2011), aber u.a. auch im Bereich der Gesundheitsprävention nachwirkt (Suter 2017).

Die diskursiven Formationen, welche die Theoretisierung Sozialer Arbeit in der fordistischen Ära untermauern, sind vielschichtig. So dominieren zu Beginn dieser Ära v.a. mordernisierungskritische Naturalisierungen den Diskurs. Auch die kritischen Gegenstimmen arbeiten sich – unweigerlich – an eugenischen Figurationen ab und kontern mithilfe von psychologischen (Bernfeld [1925] 2000) oder persönlichkeitsrechtlichen (Loosli 1924) Konzepten. In Analogie zur Einzelfallorientierung werden zunehmend psychologisierende bzw. sozialtechnologische Erklärungsansätze (Kunstreich 2000) dominant. Diese beziehen sich explizit auch auf die neuen Gruppen von Bedürftigen, die Jugendlichen. Zwar repräsentiert Jugend zu Beginn des 20. Jahrhunderts Aufbruch, Neuland und Erneuerung. Dieses Idealbild übersteht die Weltkriege nicht, da insbesondere die Jugend dramatischen Kriegserlebnissen ausgesetzt ist. Die westliche Welt entledigt sich dem kollektiven Trauma erst einmal mithilfe von kulturellen ‚Verdrängungsmechnismen‘ (Erdheim 2011), wobei schon bald die Jugend eine erneute Soziale Frage stellt und als Gegenkultur problematisiert wird und entsprechend kontrolliert wird. In diesem Kontext erscheint die sozialwissenschaftliche Öffnung, welche den deutschsprachigen, akademischen Diskurs in den 1970er Jahren prägt, aus heutiger Sicht als Befreiungsschlag. Dennoch kann sich Soziale Arbeit ihrer eugenischen Gewissensfrage nicht vollständig entledigen, da diagnostische Momente, psychologisierende Instrumente und neue Integrationsfragen ständige Begleiter bleiben.

 

3. POSTFORDISMUS, die neue Soziale Frage und die Gewissensfrage der Selbstoptimierung

Die postfordistische Ära zeichnet sich in der Sozialen Arbeit durch Umwälzungen, Krisen und erneute Neustrukturierungen (Hering/Münchmeier 2000: 227) aus. Die bildungspolitischen Offensiven streben in den westlichen Ländern ab den 1970er Jahren Chancengleichheit bezüglich Zugang zu Schulbildung (Fend 1980) und akademischer Bildung an und wirken sich entsprechend auf die Institutionalisierung der Sozialen Arbeit und die Professionalisierungsprozesse aus. Der Diskurs zur Sozialen Arbeit erfährt ebenfalls eine Dynamik und widerspiegelt die jeweiligen sozial- und bildungsbezogenen Thematiken der postfordistischen Periode.

Die Jugendhilfe in Deutschland beschäftigt sich in der bildungsreformerischen Phase, welche eine Reformphase des Jugendhilferechts mit sich brachte, mit ihrem Selbstverständnis. Sie sah sich nicht als Teil des schulischen Bildungswesens, sondern als einen eigenständigen Bereich, der zwar über unterschiedlichste Erziehungsfelder strukturiert ist, aber eine gemeinsame Grundidee verfolgt. V.a. die Kostenfrage brachte es mit sich, dass das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) nach mehreren Anläufen erst 1990 in den alten bzw. 1991 in den neuen Bundesländern in Kraft trat. Die Bildungsoffensive führte in Deutschland auch zu einer Akademisierung der Studiengänge zur Sozialen Arbeit, die bis in die 1990er Jahre expandierten.

Dennoch führten bereits die Diskussion um die differenzierte Neubestimmung der Aufgabenfelder der Sozialen Arbeit und der zunehmenden Komplexität der Lebensverhältnisse der Klient_innen, die sich exemplarisch an der Heimkampagne und deren Folgen zeigen lässt, zu breiten Umwälzungen der Berufsfelder. Die Heimkampagne, welche durch ihre politische Ausrichtung als internationales Phänomen bezeichnet werden muss, kritisierte u.a. die institutionalisierte Praxis der Heimunterbringung. Die öffentliche Berichterstattung nutzend, wurde in der Schweiz 1970 unter dem Patronat der Landeskonferenz für Soziale Arbeit eine Tagung organisiert, bei der sowohl Heimleitende als auch Heimkritiker_innen debattierten. Die Kritik richtete sich v.a. gegen die gängige ‚Brachialpädagogik‘, die mit Gewalt, Zwang und Druck durch die Isolation, ihren Auftrag zur gesellschaftlichen Integration der Insassen niemals erreichen könne. Demgegenüber wurden Selbstverwaltete Wohn- und Lebensformen gefordert, wobei die bestehenden Heime langsam in die neuen Formen übergeführt werden müssten (Hafner 2011: 152 ff). Direkte Folgen auf die Reformen hatte gemäß Hafner die Heimkampagne nicht. Dennoch wurden ab den 1970er Jahren die Heimerziehung verändert, die Gebäude saniert, die Gruppen verkleinert und v.a. wurde das Jugendstrafrecht reformiert (Hafner 2011). Die Ausdifferenzierung des stationären Bereiches lässt sich auch international feststellen, wenngleich die jüngste Aufarbeitung der Heimgeschichte aufzeigt, dass auch innovative, demokratieorientierte Einrichtungen die Betroffenen selbst nicht vor Übergriffen und Missbräuchen schützten (Oelkers 2016).

Während in den 1980er Jahren abweichende Verhaltensweisen und Armutslagen Bedürftigkeiten kennzeichneten, werden die Risikolagen ab den 1990er Jahren zunehmend ‚unberechenbarer‘. Abweichendes Verhalten wurde sowohl auf der Ebene der Theoretisierung, als auch auf der Ebene konkreter Bedürftigkeitsformen für die Soziale Arbeit ein wichtiger Bezugspunkt. Abweichendes Verhalten wird in kriminologischer Tradition als Verstoß an implizit oder explizit geltenden sozialen Normen verstanden oder als Folge mächtiger Zuschreibungs- und Sanktionsprozesse bestimmt. Abweichendes Verhalten ist entsprechend in Relation zu Normalitäts- und Normativitätsverständnissen der jeweiligen gesellschaftlichen Kontexte zu verstehen. Böhnisch (2015) unterscheidet zwischen Delinquenz (kriminelle Handlungen), sozial desintegrativem Verhalten (Abweichung von ‚normaler‘ Lebensführung), institutionell gebundener sozialer Abweichung (spezifische, institutionelle Sanktion in Schule, Jugendhilfe, Arbeitssystem etc.) und subkultureller Abweichung (kollektive Identitäts- und Aktionszusammenhänge in Gruppen) (Bönisch 2015: 25). Böhnisch fokussiert nun für die Soziale Arbeit ein Verständnis, das abweichendes Verhalten als Bewältigungsmuster für biographische Krisen bestimmt, welche zudem geschlechtsspezifisch präformiert sind.

„Männliches Risikoverhalten zeigt sich stärker in der Selbst- und Fremdgefährdung nach außen (Alkohol- und Verkehrsrausch, Körperverletzung, Randale, Einlassen in Gewaltszenen), weibliches Risikoverhalten richtet sich eher nach innen (Medikamentenmissbrauch, Magersucht). Beide treffen sich in der Drogenkultur“ (Böhnisch 2015: 29).

Der Begriff der biographischen Krise bildet hier der zentrale Bezugspunkt, um die Bedürftigkeit zu bestimmen. Der Blick richtet sich also auf die individuellen Verarbeitungsmöglichkeiten gesellschaftlicher Zumutungen im Lebensverlauf.

Ein weiterer zentraler Terminus, der für Bedürftigkeiten der postfordistischen Ära kennzeichnend ist, war die neue Armut, die von Heiner Geissler 1975 als neue Soziale Frage als CDU-Wahlthema aufgeworfen wurde und auf die neue Armutsforschung Bezug nahm. Neu waren an der neuen Armut v.a. die neuen Risikogruppen Frauen, Kinder und alte Menschen, die durch die Maßnahmen der alten Sozialen Frage (Sozialstaat und Gewerkschaften) nicht adäquat aufgefangen werden konnten. In der Folge wurden mit Bezug zur internationalen Armutsforschung kontinuierlich neue Messinstrumente zur Bestimmung der Armutsgrenze bzw. Ausmaßes an Armen entwickelt, die auch diejenigen Risikogruppen erfassen sollten, die durchs Netz zu fallen drohten (Hanesch 2015: 103ff). Dies führte in den 1990er Jahren zu dem Lebenslagenkonzept (Husi/Meier Kressig 1995), welches nicht nur die Einkommensarmut fokussierte, sondern Armut als allgemeine gesellschaftliche Mangellage zu bestimmen vermochte. Neue Risikogruppen wie alleinerziehende Elternteile, Kinder, Familien mit Migrationshintergrund, Menschen ohne Schulabschluss, alte Frauen oder working poor wurden zwar erkannt, gerieten aber im Zuge allgemeiner neoliberaler Deregulierungstendenzen unter massiven Existenzdruck. Prekäres Leben begann bereits in der frühen Kindheit, wurde ‚weitervererbt‘ und setzte sich im gesamten Lebensverlauf fort (Rabe-Kleberg 2011). Während sich für die einen eine Pluralisierung der Lebensformen und Lebensstile durchaus positiv auf das individuelle Glück und die Selbstbemächtigung der Existenz auswirkte, wurden für die andern die risikohafte Unberechenbarkeit zur kontinuierlichen, existenziellen Begleitung.

Vor dem Hintergrund der eben skizzierten Entwicklungen lässt sich festhalten, dass Soziale Arbeit im Postfordismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein scheint. Dies zeigt sich an folgenden Aspekten:

  • Der Prozess der Institutionalisierung und Professionalisierung ist durch Ausbau, Expansion, und Spezifizierung von Angeboten gekennzeichnet. Normalisierung meint in diesem Kontext, dass sich Soziale Arbeit als beständiger gesellschaftlicher Bereich etabliert hat.
  • Die sozialwissenschaftliche Öffnung bezüglich Theoriebildung und Forschung ermöglicht es auch, Bedürftigkeiten von Adressatinnen und Adressaten differenziert zu verstehen, angemessen zu intervenieren und Angebote zu entwickeln.

Beide Aspekte führen dazu, dass die Gefahr der Vereinnahmung Sozialer Arbeit durch wirtschaftlich-gesellschaftliche Verwertungs- und Kontrollansprüche zum ständigen Begleiter wird, deren Strukturlogik sich die Soziale Arbeit aber nicht entledigen kann.

Der zentrale Orientierungspunkt, welcher die postfordistische Periode durchdringt, lässt sich unter dem Begriff der Selbstoptimierung fassen. Diese Gewissensfrage in diesem Zusammenhang ist sowohl ein subjektiver Anspruch, als auch eine gesellschaftliche Zielsetzung. In der Sozialen Arbeit wird die institutionalisierte Praxis zum einen von der Lebensweltorientierung, zum andern durch die Dienstleistungsorientierung charakterisiert. Der Anspruch Sozialer Arbeit ist es also, den individualisierten Lebenslagen durch maßgeschneiderte Angebote möglichst passgenau für eine Konkurrenzfähigkeit auf dem freien Markt zu entwickeln. Gleichzeitig wird der gesellschaftliche Optimierungsdruck über die Ansprüche an soziale Dienstleistungen auch in der Sozialen Arbeit bemerkbar. Sie soll messbar, standardisierbar und überprüfbar werden. Dieser institutionelle Selbstoptimierungsanspruch korrespondiert mit der wissenschaftlichen Diskursivierung und der dominanten Frage nach disziplinärer Identität. Das Bemühen um ein einheitliches Verständnis legt nahe, dass es eine ontologische Einheit innerhalb einer Wissenschaftsdizplin geben müsse, was sich wiederum als kollektiven Reflex auf wissenschaftspolitische Risikoszenarien und prekäre Unberechenbarkeiten im akademischen Bereich deuten lässt (Hornstein 1995). Das Betonen der Orientierung an Ressourcen der Klient_innen, an gelingendem Alltag, das Abwenden von Problemzentrierungen und die Betonung der Bewältigungsmöglichkeiten können als methodische und professionelle Folgen dieses kollektiven Reflexes gedeutet werden.

Der Selbstoptimierungsanspruch zeigt mit Bezug auf die Bedürftigen ihre widersprüchliche Ausrichtung sehr deutlich. Zwar konnte in der Geschichte der Sozialen Arbeit immer auch der Anspruch der Hilfe zur Selbsthilfe nachgewiesen werden, der zudem als Mittel gegen einseitige Bevormundung gesehen wurde. In der postfordistischen Periode wird dieser Anspruch in einer Weise reaktiviert, als dass sich Risikolagen radikal in die Selbstverantwortung der Klient_innen verlagern. Es wurden Projekte ins Leben gerufen, wie beispielsweise die selbständige Erwerbstätigkeit als Ausweg aus der Erwerbslosigkeit (Grubenmann 1999), welche die Risiken unter dem Aspekt der scheinbaren Selbstbestimmung und Autonomie, den Individuen überlasteten. So wurde über die alles dominierende Rezeption der Risikogesellschaft (Beck 1986) immer auch die Chancen der Individualisierung thematisiert und die Normalisierungsthese mit Bezug zur Sozialen Arbeit betont (Lüders/Winkler 1992). Die Normalisierungsthese bezieht sich auf die Bestimmung der Sozialen Arbeit als Regelangebot, welches sich im Zuge von Modernisierungsprozessen herausgebildet hat und heute nicht mehr wegzudenken ist. Soziale Arbeit scheint – gemäß dieser These – in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Dennoch ist sie auch in der postfordistischen Periode aufgefordert, ihren Anspruch auf Gerechtigkeit für prekäre Lebenslagen nicht aus den Augen zu verlieren.

 

4. INDUSTRIE 4.0

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, künftige Soziale Fragen und existentielle Gewissensfragen

In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, welche künftigen Sozialen Fragen sich vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der damit verbundenen beschleunigen Produktionsweise ergeben können. Da von uns die Soziale Frage, ausgelöst durch das kapitalistische Ausbeutungsprinzip, als Leidensfrage definiert wurde, konnten auch in den unterschiedlichen kapitalistischen Transformationsperioden unterschiedliche Dispositionen bzw. Ausprägungen der Sozialen Frage entdeckt werden. Zum Vorschein kamen vielfältige Formen des Leidens an systematisch ungleich verteilten Möglichkeiten zur Lebensgestaltung, an Macht-, Kontroll-, Disziplinierungs- und Ausbeutungsverhältnissen, aber auch an den Bedeutungen und Verantworlichmachungen dieser Zustände. Gleichzeitig rücken durch das Leiden, die Bedeutungen und Interpretationen dieser Bedingungen Individuen, Gruppen und soziale Praxen in den Vordergrund und damit auch ihr Mangel an Lebensmöglichkeiten, Gerechtigkeit und sozialer Teilhabe. In allen Perioden lässt sich aber nicht nur ein Mangel an sozialer Gerechtigkeit feststellen, sondern auch ein Aufbegehren und Wünsche an eine andere künftige Lebensweise. Wie bisher deutlich wurde sind die Transformationen der Sozialen Fragen der Sozialen Arbeit und der Lebensweisen auch geprägt von vergangenen Strukturen und Ideen sowie von der Gestaltung der Zukunft. Im Folgenden werden daher thesenartige Skizzen und perspektivische Fragen aufgeworfen.

Der Blick in die Geschichte der Sozialen Arbeit hat gezeigt, wie sich in den letzten 200 Jahren ein Feld der Sozialen Arbeit herauskristallisiert hat, welches ein differenziertes Angebot aufweist, nach spezialisierten professionellen Tätigkeiten verlangt, an Hochschulen gelehrt wird und durch Forschung gerahmt ist. Mit Blick auf aktuelle Fachzeitschriften können folgende Trends, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern vielmehr als erste Hypothesen stehen sollen, gemutmaßt werden. Während eine Kontinuität von arbeitsfeldspezifischen Herausforderungen zu verzeichnen ist, zeigt sich eine Renaissance von gesellschaftlich zu verortenden ‚Bedenken‘ ab. So wird z.B. von der herausgeforderten Profession im Zusammenhang mit der Neuen Rechten und sozialstaatlichen Arrangements gesprochen (Hosemann 2019) oder gar ein ganzes Themenheft dem Sozialstaat (Sozial Aktuell 2019) gewidmet. Tendenziell sind diese Gegenwartsanalysen eng an ethische Grundfragen geknüpft und werfen moralische Ansprüche mit Bezug zu ‚Unvernunft‘ (Sünker 2015), zu Menschenrechten oder zu Normativitätsfragen (Otto/Ziegler 2012) neu auf.

Die Soziale Arbeit hat gegenwärtig nicht mehr den Anspruch soziale Tatbestände wie Armut, Arbeitslosigkeit, Behinderung und Wohnungslosigkeit zu korrigieren, sondern wird vor dem Hintergrund des New Public Management selbst zum Faktor, der nicht Kosten verursacht, sondern selbst Gewinn erzielen soll. Sozialprofessionelles Handeln müsse in dieser Logik Sozialinvestition werden. In dieser Logik wird zwar auch weiterhin das Wohl von Adressat_innen angestrebt, gleichzeitig das Gemeinwohl adressiert. Es zeigt sich also, dass über diese doppelte Aufgabe das ‚alte Modell‘ der Sozialen Frage und Sozialen Arbeit des 19. Jahrhunderts aktualisiert wird. In besonderer Weise ist Soziale Arbeit aktuell wieder neu herausgefordert, da das Soziale neu ausgehandelt wird und zur Disposition steht. Wie sich Soziale Arbeit dazu positionieren wird, bleibt uneindeutig. Zum einen zeigen Analogien zur alten, Sozialen Frage und damit auch zur Sozialen Arbeit der Vergangenheit, welche sich beispielsweise in einer Renaissance von Erziehung und Bildung zeigt. Zum andern wird aber auch die Bedeutung sozialstaatlicher Arrangements für die Soziale Arbeit in neue Verhältnisse gesetzt.

Jedoch sind derzeit nicht nur gesellschaftliche Leidensfragen, sondern auch Bedürfnisse und Wünsche an eine künftige Gestaltung sozialarbeiterischer Praxis mehr als fragmentiert. Denn die sozialstaatlichen Arrangements, welche die institutionalisierten Angebote der Sozialen Arbeit rahmen, gerieten bereist in der postfordistischen Phase zunehmend unter den Druck einer wirtschaftlichen Verwertungslogik. Neu ist aber, dass sich wesentliche Verschiebungs- und Auflösungstendenzen zeigen. Es geht also auch auf der Ebene der Institutionalisierung um die Existenz, was bezüglich der Professionalisierung neue Fragen aufwirft. In der positiven Lesart dieser Entwicklung ermöglichen neue Zeitregimes und Raumaneignungspraktiken das Überwinden von herkömmlichen, überkommenen Strukturen. In der negativen Lesart droht Anomie: Ein Zusammenbruch von stabilen sozialen Verhältnissen, indem das Soziale durch unveräußerlichte (Menschen)Rechte geregelt ist. Anomische Strukturen wirken sich – gemäß Durkheim – v.a. auch negativ auf die betroffenen Subjekte aus. Ein Zustand andauernder sozialer Unbehaglichkeit entsteht, welcher durch steigendes soziales Desinteresse, höherer Kriminalitäts- und Selbsttötungsraten begleitet wird. Diese Begleiterscheinungen können sowohl Klient_innen als auch Professionelle betreffen.

Zudem lässt sich auch vermuten, dass die vergangenen Bedürftigkeiten nicht verschwinden, vielmehr aber neue hinzukommen. Während sich die selbstschädigenden Verhaltensweisen der erwachsenen Bevölkerung als direkte Folgen der Arbeitsbedingungen lesen lassen, zeichnen sich für nicht direkt involvierte Personengruppen ähnliche Phänomene ab. Insbesondere sind auch Kinder und Jugendliche von neuen Formen des selbstschädigenden Verhaltens betroffen, was sich u.a. auch in medialen Thematisierungen widerspiegelt. So wird von Burnout bei Kindern, Magersucht bei immer jüngeren Mädchen und Spielsucht bei immer jüngeren Kindern berichtet. Der Trend zur frühen Förderung möglichst ab Geburt unterstreicht diesen Fokus zusätzlich. Die Folgen der gegenwärtigen Pandemie lassen die sozialen, wirtschaftlichen und subjektiven Bedürftigkeiten zudem in einem neuen und sehr klaren Licht erscheinen und spitzen sich entsprechend zu.

In der Periode der Industrie 4.0 entstehen durch ökonomische, politische und soziale Widersprüche Partikularinteressen zur Absicherung der je individuellen Lebensgrundlage. Angesichts der existenzbedrohenden Ausmaße großer Teile der Weltbevölkerung erhält eine kollektive Orientierung umso mehr eine kategorische Dringlichkeit, so zu handeln, dass nicht die egoistische Verfolgung der je eigenen Lebensinteressen zum allgemeinen Gesetz wird, sondern dass die je Einzelnen ihre Handlungsmaxime zum Zweck der kollektiven Prüfung ihres Berechtigungsanspruchs allen anderen vorlegen: „Das Gewicht verschiebt sich von dem, was jeder (einzelne) ohne Widerspruch als allgemeines Gesetz wollen kann, auf das, was alle in Übereinstimmung als universale Norm anerkennen wollen“ (Habermas 1983: 77). D.h. eine kooperative Wahrheitssuche zur Lösung der Sozialen Frage und den damit einhergehenden Handlungskonflikten ist nur in der konsequenten Beteiligung aller Lebensinteressen zu verwirklichen. Dieser Standpunkt erlaubt es uns von einer existentiellen Gewissensfrage im Sinne von Hans Jonas Prinzip der Verantwortung auszugehen:

„Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden‘; oder negativ ausgedrückt: ‚Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens‘; oder einfach: ‚Gefährde nicht die Bedingungen für den indefiniten Fortbestand der Menschheit auf Erden‘; oder wieder positiv gewendet: ‚Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als Mit-Gegenstand deines Wollens ein‘“(Jonas 1979: 36).

Die neuen sozialen Bewegungen der Gegenwart appellieren an die Verantwortung der gegenwärtigen Erwachsenengeneration für künftige Existenzen. Die existenziellen Fragen leiden mit Blick auf dieses Phänomen also weniger an einer solidarischen Orientierungsnot, zeichnen aber in ihren Gegenwartsbezügen ein düsteres Bild. Diese negative Deutung existenzieller Gewissensfrage erinnert an Argumentationsstereotype, welche bereits auf die alte Soziale Frage folgten. Mit Blick auf die aktuelle Soziale Frage muss ein Ungleichgewicht festgestellt werden, welches die gemeinsame Verantwortung herausfordert und nach neuen Möglichkeiten des sozialen Zusammenlebens sucht.

 

Mit den zuvor beschriebenen strukturellen und ideologischen Ausprägungen der Sozialen Frage zeichnet sich in der Gesamtschau ein Gefüge, indem mit dem kapitalistischen Zwang aus Geld mehr Geld zu machen Wechselwirkungen einhergehen, die zu Ausbeutung, individueller, unternehmerischer und staatlicher Konkurrenz sowie zu innerer Kolonisierung von Lebenswelten und Denkweisen führen. D. h., die in der Regel von polit-ökonomischen Prozessen angestoßene Soziale Frage produziert Verhältnisse, in denen sich die Bevölkerung allmählich an Unsicherheit und Hoffnungslosigkeit gewöhnt, weil letztlich nur paradoxe und prekäre Bewältigungsstrategien im Umgang mit der Sozialen Frage entstehen: Denn indem die je eigenen Interessen durch die Akzeptierung von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen verfolgt werden, werden sie auch zugleich verletzt, weil das konkurrenzfördernde ökonomische Prinzip aufrechterhalten wird und mögliche Bündnispartner_innen für die Erweiterung der gemeinsamen Lebensbedingungen verloren gehen. Frei nach dem Motto: „Ich verrate um meiner unmittelbaren Absicherung, Bestätigung etc. willen die eigenen Entwicklungs- und Lebensmöglichkeiten“ (Holzkamp 1997: 396). Mit den so beschriebenen Handlungsmöglichkeiten können auch die Reaktionen der Lohnabhängigen auf einen drohenden Abstieg verstanden werden, indem eben diese selbstschädigenden Bedingungen in Kauf genommen werden, weil ein Erfolg im Konkurrenzkampf gesellschaftliche Teilhabe in Form von Konsum und politischer Verwaltung ermöglicht. Zwar fühlen sich Lohnabhängige mit ihrem Erfahrungswissen und Werksinn durch das ökonomische Prinzip entwertet. Statt Maschinen für Menschen arbeiten zu lassen, stehen sie den beschleunigten Arbeitsprozessen fremd gegenüber, weil die digitalen Algorithmen der Maschinen und kybernetischen Prozesse auf Effizienz programmiert sind und nicht auf Zufriedenheit und Chancengleichheit. Auf der subjektiven Ebene bleibt durch den Zwang, gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse zu akzeptieren, um das individuelle Überleben zu sichern, allzu oft nur noch die Angst als Bündnispartnerin übrig. Angst vor Arbeitsplatzverlust, Leistungsdruck, finanziellen Einbußen, Intensivierung der Arbeit oder die Angst vor einer persönlichen Ressourcenerschöpfung sind ständige Begleiterscheinungen des Lebens unter kapitalistischen Bedingungen bzw. des Lebens auf Kosten anderer. In der Selbstmobilisierung der Individuen für herrschende Interessen zeichnet sich letztlich ein Verhältnis ab, in dem Menschen „unermüdlich an sich arbeiten, um zu erfolgreichen Subjekten ihrer Entfremdung zu werden und so über ihre Konkurrenten zu triumphieren“ (Haug 1991: 42). Wenn die je eigene Existenzsicherung unter kapitalistischen Bedingungen mit Selbstschädigungen einhergeht, indem das je individuelle Überleben zu sichern davon abhängt Lebensbedingungen zu produzieren, welche die Existenzgrundlage untergraben, dann entsteht mit den subjektive Handlungsbehinderungen und ‑dilemmata die Frage, welches Risiko eingegangen werden kann, damit die je eigene Handlungsfähigkeit erhalten bleibt. Und wenn bezahlte Arbeit soziale Zugehörigkeit und gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten schafft, könnte man fragen, was eigentlich passiert, wenn keine Erwerbsarbeit mehr da ist: ‚Eine/r für Alle, Alle für eine/n‘? Oder ‚Alle gegen Alle‘?

Die Krux einer Antwort auf die Soziale Frage liegt darin, dass das Verfolgen egoistischer Interessen gleichzeitig auch eine Verletzung dieser ist. Sich einzurichten, sich mit den bestehenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abzufinden und unter diesen Bedingungen zu versuchen, einen Rest an Verfügungsgewalt zu erhalten sowie in Bestätigung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse – zumindest partiell – an diesen teilzuhaben, ist vermutlich die Entscheidung, welche Klient_innen und Professionelle der Sozialen Arbeit getroffen haben. Gleichzeitig bedeutet dies, dass man „die Bedingungen, die einem die Verfügung einschränken, selbst stärkt, d.h., die Kräfte bestätigt, die durch die eigene Handlungsfähigkeit bzw. Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt sind“ (Holzkamp 1997: 396). In dieser Logik gibt es keine Alternative zur Bewältigung der Sozialen Frage als die fundamentale Abkehr vom kapitalistischen Verwertungs- und Wachstumszwang.

Die Frage, die in diesem Zusammenhang offenbleibt, ist, wie sich Sozialarbeitende zu diesen Verhältnissen verhalten und auf welche Seite wir uns stellen: Daran mitzuwirken die derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse aufrechtzuerhalten und darauf zu hoffen, dass wir und unsere Klient_innen ein Rest an Handlungsfähigkeit behalten oder darauf hinzuarbeiten, dass die freie Entwicklung eines jeden zur Bedingung für die freie Entwicklung aller wird. Damit geht allerdings die Gefahr einher den Rest der zugestandenen Handlungsfähigkeit zu verlieren und in Konflikt mit denjenigen zu geraten, welche Sonderinteressen verfolgen, Privilegien und Gewalt besitzen. Besonders das scheinbar doppelte Mandat in der Sozialen Arbeit bringt Sozialarbeitende in unüberbrückbare Handlungswidersprüche. Allerdings hat die Soziale Arbeit vor dem Hintergrund einer universellen Menschenrechtsprofession keine legitimierte Kontrollfunktion im Sinne der Durchsetzung kapitalistischer Verwertungs- und staatlicher Disziplinierungsinteressen, sondern einzig und allein einen Auftrag zu erfüllen: Sich am individuellen Wohl der Klient_innen zu orientieren und gleichzeitig für das Gemeinwohl zu arbeiten.

 

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Bettina Grubenmann, Prof. Dr. phil, Dozentin für Soziale Arbeit an der FH OST St. Gallen mit Schwerpunkt Geschichte und Theorie der Sozialen Arbeit und Frühkindliche Bildung, zuletzt ist erschienen: Paulus, Stefan; Grubenmann, Bettina (Hrsg.): Soziale Frage und Soziale Arbeit. Ein Lehrbuch. Opladen: Barbara Budrich 2020.

Stefan Paulus, Prof. Dr. rer. pol., Dozent, Institut für Soziale Arbeit, Fachhochschule OST St. Gallen (https://www.ost.ch/de/fachhochschule/ueber-ost/organisation/departement-soziale-arbeit/soziale-frage/) Arbeitsschwerpunkte: Kritik der politischen Ökonomie, Subjektwissenschaft, Gouvernementalitätsstudien. Zuletzt ist erschienen: Paulus, Stefan; Grubenmann, Bettina (Hrsg.): Soziale Frage und Soziale Arbeit. Ein Lehrbuch. Opladen: Barbara Budrich 2020




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