Hamburg . Kita Rabenhorst.
Eine junge Familie zieht in den Hamburger Staddteil Wellingsbüttel und dort, auf der Suche nach Betreuung für den Nachwuchs, stösst sie auf die Beschreibung der gesellschaftlichen Wirklichkeit des Stadtteils. Nicht abstrakt, sondern in einer Broschüre des dortigen Kindergartens. Dort wird wahrheitsgemäß beschrieben, dass ein Grossteil der Eltern der lieben Kleinen einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht. Als Rechtsanwälte, Ärzte, Organisationsberater, Makler, Geschäftsinhaber und dass von den Familien mit Migrationshintergrund nur wenige die Betreuung der Kita in Anspruch nähmen.
Soweit, so normal, wenn man nach Wellingsbüttel zieht. Die Preise des Baugrundes bestimmen am Ende des Tages die Nachbarschaft und die bildet sich – kaum überraschend – auch in der örtlichen Kita ab.
Die oben erwähnten jungen Eltern sind empört. Zwar nicht so sehr, dass sie mit ihrem Gesicht für ihre Kritik einstehen wollten, schließlich ist man ja neu in Wellingsbüttel, aber anonym will man sich schon darüber aufregen, dass hier mit praktischer Ausländerfreiheit des von den Kritikern selbst ausgesuchten Stadtteils geworben wird. Eine Zeitung – die Hamburger Morgenpost – findet sich auch, um aus der Feststellung einer soziologischen Tatsache einen Skandal zu machen. Wie gesagt, nicht aus der Tatsache selbst, sondern aus dem Aussprechen der Tatsache.
Nun kann man spekulieren – wissen tut man es ja nicht – warum diejenigen die nach Wellingsbüttel ziehen, nicht hören möchten, dass ihre neuen Nachbarn kaum Familien mit migrantischen Bezügen, dafür umso mehr biodeutsche Rechtsanwälte, Ärzte, Organisationsberater, Makler, Geschäftsinhaber usw. sind und sein werden?
Die Antwort darauf sei der Spekulation überlassen. Aber feststellen, dass es etwas billig ist, für die Tatsache der Stadtteilauswahl andere deswegen zu kritisieren, weil sie möglicherweise korrekt die unausgesprochene und gegebenenfalls unbewusste Begründung aufgeschrieben haben, darf man schon. Genauso, wie man feststellen muss, das es eine Tendenz in der Gesellschaft gibt, die Widersprüchlichkeiten des eigenen Lebens auszublenden und andere dafür um so stärker dafür zu kritisieren.
Das mag mit der allgemeinen Moralisierung der öffentlichen Debatte zusammenhängen. In ihr zelebriert sich das juste milieu – etwa die grünlinksliberale Mitte der Gesellschaft – als moralisch untadelig und fordert von anderen deswegen mit besonderer Lautstärke ein, was für politisch korrekt gehalten wird.
Ausgrenzung pfui deibel! Vielleicht war das junge Paar gerade in Berlin für #unteilbar auf der Straße und so aufgeladen mit solidarischem Gefühl für Menschen aus anderen Kulturkreisen, dass sie die Beschreibung ihrer eigenen Wirklichkeit ohne andere Kulturkreise deswegen nicht ertragen konnten. Man wird es wohl nicht erfahren. Denkbar aber ist es, weil das gute Gefühl, das die lautstarke Forderung nach einer einzigen Welt, in der die Ressourcen gerecht teilbar sein sollen und deswegen die Welt unteilbar sei, sich nur deswegen einzustellen vermag, weil man weiss, dass die Bergpredigt sich zwar für die große Aufführung am Sonntag gut macht, dass aber in der Woche andere Regeln gelten.
Aber manchmal schwappt die Wirkung in die Woche hinein und man wird Opfer der eigenen ideologischen Aufladung. Allerdings nicht soweit, dass man aus dem Schatten der Anonymität heraustreten wollte. Soviel Realismus bleibt dann doch.
Anmerkung der Redaktion: Die “Elbkinder” haben umgehend reagiert, denn die angegriffene Formulierung “Von den Familien mit Migrationshintergrund nehmen nur wenige unsere Betreuung in Anspruch”, die in dem Hambruger Morgen Post-Artikel vom 14.10.2018 https://www.mopo.de/…/kaum-migranten-so-wirbt-diese… zitiert wurde, ist in der aktuellen “Rabenhorst-”Broschüre nicht mehr zu finden.
Die aktuelle Broschüre ist vom 18.10.2018:
https://www.elbkinder-kitas.de/…/kita_rabenhorst…
Die alte, wohl seit 2015 verbreitete Version wurde von der Website gelöscht, ist aber noch im Google-Cache zu finden
Hans-Jürgen Leubecher
Es ist nie zu spät. cogito ergo sum. 22391 was war denn lehrreich? Aram Chatschaturjan Säbeltanz gern gehört
und von Aram Ockert gern gelesen und zur Kenntnis genommen, was er richtig bewertet. Danke!