Um den derzeit hasserfüllten und engstirnigen Umgang zwischen den Menschen wieder zu öffnen, ist ein Unterbrechen notwendig – von rassistischen Erzählungen, Vorurteilen und stereotypen Wiederholungen im Reden und Tun. Dass dabei das Zu- und Anhören zwischenmenschlich und politisch wichtig ist, wird in der Auseinandersetzung mit Carolin Emckes Denken deutlich.
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Die Art, wie Carolin Emcke über den Zustand der Welt, über Gewalt, Hass und Sprachlosigkeit nachdenkt und sich inmitten dem Geschehen selber aussetzt, fasziniert mich, gerade weil sie das Subjektive und das Gesellschaftliche in ein oft konfliktreiches Verhältnis setzt und über diese Widersprüchlichkeiten empathisch und analytisch scharf nachdenkt.
Carolin Emcke schaut sich als Journalistin neugierig in der heutigen Welt um und denkt über den Zustand der Gegenwart engagiert nach, setzt sich bewusst mit Vorstellungen eines guten Zusammenlebens in der Zivilgesellschaft auseinander, eines Zusammenlebens, das die einzelnen Menschen in ihrer Würde respektiert, in dem politische Anliegen öffentlich und fair verhandelt und die Menschenrechte eingehalten werden. Sie hält den normativen Anspruch einer pluralen Gesellschaft aufrecht. Diesen normativen Anspruch nehmen rechtskonservative PolitikerInnen ihr offenbar übel; (politischer) Anstand wird skandalisiert.
Carolin Emcke – eine vom kritischen Denken der Frankfurter Schule geprägte Philosophin, Kriegsberichterstatterin, Buchautorin und an der Berliner Schaubühne Gastgeberin des „Streitraums“ – hat im Oktober 2016 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Das Komitee des Friedenspreises begründete seine Wahl folgendermassen: Carolin Emcke beschreibe „auf sehr persönliche und ungeschützte Weise, wie Gewalt, Hass und Sprachlosigkeit Menschen verändern können. Mit analytischer Empathie appelliert sie an das Vermögen aller Beteiligten, zu Verständigung und Austausch zurückzufinden.“
Anhören und Angehören
Wir alle machen im beruflichen Kontext oder im sozialen Alltag Erfahrungen von subtilen, diffusen oder offensichtlichen Ausgrenzungen: wir werden als alt, als ein zu hoher Kostenfaktor oder zu wenig effizient weggeschoben, oder als jung, zu unerfahren beäugt, oder als links, feministisch, zu wenig angepasst vorverurteilt, oder als lesbisch bzw. schwul kategorisiert, als nicht einheimisch abgestempelt. Erfahrungen von Ausgrenzungen erschüttern die selbst-verständliche Zugehörigkeit zur konkreten Welt; ein schleichendes Gefühl, aus der Welt, aus dem sozialen Umfeld herausfallen zu können, kann sich als diffuse Angst einnisten. Angehörigkeit wird in der heutigen Zeit brüchig, in der die Medien die diffuse Angst mit den Flüchtlingsströmen und Wirtschaftskrisen bedienen, wo eine Sorge um den eigenen Arbeitsplatz angesichts der instabilen globalen Währungslage wächst und wo ein Unbehagen bezüglich sozialer Sicherheit von der rechten Politik geschürt wird. In seiner Schrift Das Unbehagen in der Kultur konnte Sigmund Freud 1930 noch notieren, dass wir „aus dieser Welt nicht fallen (können). Also ein Gefühl der unauflösbaren Verbundenheit, der Zusammengehörigkeit mit dem Ganzen der Aussenwelt“ haben. Heute besteht das Unbehagen wohl genau in diesem diffusen Gefühl, aus der Welt fallen zu können, aus dem nahen Sozialraum ausgeschlossen zu werden.
Wie funktioniert Aussonderung, wie jene Mechanismen der Ausgrenzung? Zu- bzw. Angehörigkeit stellt sich – pointiert – über das Angehört-Werden her. Dieses Angehört-Werden ist radikal subjektiv, betrifft die einzelne Person auf dem Arbeitsamt ebenso wie in Krisengebieten und ist Auftrag einer pluralen Gesellschaft. Das Aus-der-Welt-fallen, die Aussonderung funktioniert also auch über das nicht Zuhören und nicht Angehört-Werden.
Auf ihren Reisen in Kriegsgebieten wie Palästina, Bosnien-Herzegowina, Afghanistan oder auch in den Irak erfuhr Carolin Emcke, dass bestimmte Erlebnisse für Menschen kaum mehr fassbar, kaum mehr beschreibbar sind. „Extremes Unrecht und Gewalt stellen eine Anomalie dar, sie widersprechen jeder unversehrten Welterfahrung.“ (WeS, S. 14) Emcke beschreibt mit sanfter Behutsamkeit exemplarisch die Situation von Adem, einem Kosovo-Albaner, der aus der jugoslawischen Armee desertiert und im jugoslawischen Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen ist. Adem erzählt immer wieder von seinen neu gekauften Schuhen. Wie hängen diese nagelneuen Schuhe mit seiner Flucht aus Ex-Jugoslawien, seiner Ausweisung aus Deutschland, der danach erlittenen Folter in Belgrad und der erneuten Flucht nach Deutschland zusammen? Dieses Erlebnis – „ich habe mir nagelneue Schuhe gekauft“ – wirkt wie ein einsamer Splitter, der in sein Erleben und Erzählen noch nicht integrierbar, nicht verständlich ist. Da Carolin Emcke, die zuhört, verstehen will, ohne Adem zu bedrängen; dort Adem, der vieles durchlitten hat und, sprachlos geworden, immer wieder diesen Splitter der nagelneuen Schuhe einbringt. „Das Erlebnis scheint entkoppelt von allem, was vorher geschah, es reiht sich nicht ein in die eigene Geschichte, in das Verständnis dessen, was und wer man selbst einmal war und wer die anderen waren. (…) Der zivilisatorische Bruch eines Unrechts zieht sich durch verschiedene Schichten, erschüttert zweifach: die Beziehung des Opfers zu sich selbst und seine Beziehung zur Welt.“ (WeS, S. 14f) Die Erlebnisse der Desertation, der Rückschaffung, der Folter und der erneuten Flucht trennen die Verschonte vom Opfer. Und doch geht es just um dieses unermüdliche Zuhören der hier Verschonten. Dieser Akt des Zuhörens wird zu einer Zeugenschaft gegen die Ungerechtigkeit.
Indem Carolin Emcke als anteilnehmende Journalistin Adem zuhört und seine Erlebnisse aufnimmt, bietet sie die Möglichkeit, Adem aus der Namenlosigkeit der Opfer von Kriegsgeschehen herauszulösen und ihn wieder als Subjekt anzusprechen. Sie verhindert zudem, dass wir als LeserInnen ihrer Berichte weiterhin gedankenlos verdrängen und vergessen, was mit abgewiesenen Flüchtlingen geschehen kann und was in Kriegen passiert. Schliesslich besteht die Möglichkeit, dass Adem durch das Erzählen etwas über diesen massiv verletzenden Splitter und damit über sich verstehen kann. So wird der „Schnappschuss“, wie es Zygmunt Bauman nennt, wieder in die eigene Lebensgeschichte integrierbar und die Erlebnisse zu einer biographischen Kontinuität.
Radikales An- und Zuhören im Sinne eines ernsthaften Interesses an der anderen Person und ihrer Situation wird zu einem Moment, der Ungerechtigkeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wird zu einem Augenblick, in dem der aufgrund von Machtmissbrauch, Gewalt, Folter, Vergewaltigung aus der Welt gefallene Mensch wieder zu sich selber und zur Welt so etwas wie Vertrauen fassen kann. Denn „warum sollten Menschen, deren Weltvertrauen zerbrochen wurde, jemals wieder Vertrauen zu anderen fassen können?“ (WeS, S. 95)
Anhören erlaubt ein Bezeugen: So war es. Auf Um- und Abwegen wird das Unsagbare und Unfassbare beschreibbar, wird aus dem Opfer wieder ein Mensch; das Anhören führt zurück in die Zugehörigkeit zur Welt. Diese Anstrengung des Anhörens und Bezeugens ist unabdingbar für die Subjektwerdung und für die soziale Gerechtigkeit. Jene, die durch Krieg und durch die Politik zu Opfer gemacht worden sind, benötigen für ihre Rückgewinnung der Würde die Anstrengung der Gesellschaft, ihr kollektives Zuhören. „Das Erzählen trotz allem kann nur gelingen, wenn es die Verstörungen nicht objektivieren und normalisieren will.“ (WeS, S. 107) Anhören konfrontiert die Verschonten mit dem Menschen-Möglichen. Wer zu schnell meint, sagen zu müssen: „Es ist unaussprechlich, es ist unmenschlich oder unsagbar“, übergeht, was das Gegenüber erlebt hat, indem er es nicht mehr anhört, sondern beurteilt, übergeht menschengemachte Gewalt, verleugnet und verhöhnt die Opfer abermals und negiert, dass Hass auf diese Weise produziert wird, und verharmlost zugleich, wozu Krieg, Gewalt und Machtmissbrauch führen. Anhören wird – so meine Interpretation von Emckes Überlegungen – zu einem gesellschaftspolitischen Akt, sich von den Gräueln und den hasserfüllten Taten, die immer auch subjektiv erlitten werden, nicht abzuwenden. Anhören und Erzählen(-lassen) sowie der Respekt vor der Diskontinuität im Erzählen können Formen sein, „den Bruch des Vertrauens als gemeinsames Problem einer moralischen Gemeinschaft zu begreifen“. (WeS, S. 99, Hervorhebung LS) Hier taucht Emckes normativer Anspruch an ein „universales Wir“ (Rede. S. 1) auf, das sich um Zugehörigkeit der Einzelnen zum Mensch-Sein kümmert, und an eine Gesellschaft, die sich für die gelebte Pluralität und für die Menschenrechte einsetzt.
Selbsterkenntnis und Weltbezug
Mit ihren anteilnehmenden Beobachtungen und ihrer analytischen Empathie, wie dies die Laudatorin Seyla Benhabib treffend hervorgehoben hat, macht Carolin Emcke unmissverständlich klar, dass Selbsterkenntnisse nur im Weltbezug möglich sind.
Unbestritten ist, dass wir in einer von vielfältigem Wandel, auch von einem Strukturwandel der Öffentlichkeit geprägten Welt leben. In dieser Unbeständigkeit liegt der Ausgangspunkt von Emckes Reportagen und ihres Nachdenkens über die Welt. „Dass der öffentliche Diskurs jemals wieder so verrohen könnte, dass so entgrenzt gegen Menschen gehetzt werden könnte, das war für mich unvorstellbar. Es scheint fast, als hätten sich herkömmliche Erwartungen an das, was ein Gespräch sein sollte, umgekehrt.“ (GdH, S. 15) Umgekehrt hat sich also die Selbstverständlichkeit: nicht mehr faires Zuhören, ein angemessenes Sich-Einbringen und vernünftige Argumente sind Ausgangspunkt eines offenen und öffentlichen Gespräches, sondern Diffamierungen, Blossstellungen und faktenferne Stichworte werden zu selbstverständlichen Elementen. Ihre Wahrnehmungen und ihre eigene subjektive Fragestellung, wie Hass produziert wird und wie gegen den Hass politisch vorgegangen werden kann, ermöglichen erst eigentlich eine produktive Auseinandersetzung in der Politik und um die Frage des guten Zusammenlebens.
Als kritische Zeitzeugin denkt sie über die öffentlichen Debatten um Ängste und Sorgen nach, und setzt diese Ängste in einen Zusammenhang mit dem gezüchteten und produzierten Hass. „Als seien Sorgen an sich schon ein triftiges Argument in einem öffentlichen Diskurs – und nicht bloss ein Affekt, der berechtigt oder unberechtigt, angemessen oder unangemessen, vernünftig oder übertrieben sein kann. Als liesse sich bei der Sorge nicht auch, wie bei der Liebe oder der Hoffnung, fragen, worauf sie sich bezieht, was sie ausgelöst hat und ob Ursache und Objekt übereinstimmen.“ (GdH, S. 40) Emcke negiert gerade nicht die Gefühle, vielmehr fordert sie auf, über diese Gefühle nachzudenken, diese zu befragen und in einen Zusammenhang mit der gegenwärtigen Realität zu setzen, also einen Weltbezug herzustellen. Nicht ausschliesslich die subjektiven Gefühle sollen den öffentlichen politischen Diskurs dominieren, sondern die dem Nachdenken geschuldeten Argumente und Widerworte. So verwebt Emcke Selbst-Verständnis und Welt-Erkenntnisse auf dynamische Weise.
Aber gerade der Hass löst diese dynamische Verbundenheit zwischen Selbst- und Weltbezug auf. Derjenige, der hasst, verliert sich in einem oft aufgestauten, herbeigeführten affektiven Zustand, der sowohl den Bezug zu sich wie auch jenen zur Realität verzerrt und Entfremdung evoziert. – Carolin Emcke beschreibt es anhand einer Situation, als ein Bus mit Flüchtlingen in Clausnitz ankommt, bald schon von einem Teil der Dorfbevölkerung umringt und schliesslich voller Hass belauert wird. Es lässt sich jedoch auch an den Reaktionen der sogenannt besorgten Bürger von Oberwil-Lieli oder jüngst in Seelisberg beobachten. In der hassenden, johlenden Menge entsteht eine „pornographische Freude an der Entgrenzung der anderen (…) Das Spektakel wendet sich an das Publikum, das sich vergrössert, je ausserordentlicher die Provokation daherkommt. Und das Spektakel wendet sich an die Opfer, die sich nicht dagegen wehren können, Teil einer theatralen Aufführung zu werden, die sie demütigt.“ (GdH, S. 55) Die Machtverhältnisse werden pervertiert: denjenigen wird Macht unterstellt, die ohnmächtig und ohne staatsbürgerliche Rechte um Aufnahme ersuchen; und jene, die die reale Macht haben, inszenieren sich als ‚ohnmächtiges Volk‘. „Der Hass in dieser Situation erzeugt seine eigene Kraft gerade dadurch, dass er die konkrete Wirklichkeit ignoriert oder übersteigert.“ (GdH, S. 59) Der Hass wirkt realitätsunabhängig; er reproduziert gar eine Einengung der Wirklichkeit.
Weltbezug und Selbstverständnis: dieser dialektischen Dynamik folgt Carolin Emcke in ihrer Analyse des Hasses. Hass hat eine Vorgeschichte. Sie beginnt dort, wo einerseits (exemplarisch) den Migrantinnen und Migranten eine Individualität abgesprochen wird und sie unsichtbar gemacht werden. Und anderseits dort, wo die Hassenden ihre eigene Phantasie zu Horrorszenarien zuschneiden, ihre Einfühlung reduzieren (lassen) und sich in einem geschlossenen Denken, fertigen Urteilen und vorgegebenen Assoziationsketten sicher fühlen (vgl. GdH, S. 62ff). Den MigrantInnen wird das – wie es Seyla Benhabib in Rückbezug auf Hannah Arendt formuliert – „paradoxe Recht, Rechte zu haben“ (Laudatio, S. 4) abgesprochen und folglich werden ihnen auch die Menschenrechte verwehrt. Und die Hassenden verwehren sich ein anderes Bild von sich und von den MigrantInnen, indem sie in ihrem Status als Opfer der MigrantInnen gefangen bleiben. Was in dieser zunehmenden Engführung verloren geht und was notwendigerweise zur Empathie ebenso gehört wie zur Emanzipation und Freiheit, ist die Vorstellungskraft, ist die Möglichkeit, das konkrete Gegenüber auch anders als in Vorurteilen wahrzunehmen.
Anfangen
Wunderbar irritierend schreibt Carolin Emcke: „Gewiss, daran glaube ich noch immer. Dass es das kategorial ‚Andere‘ nicht gibt, dass es sich einfühlen lässt in andere kulturelle, religiöse, ästhetische Lebenswelten, dass sich andere Praktiken und Überzeugungen verstehen lassen. Nicht nur das, sondern dass diese Empathie unverzichtbar ist, für uns alle.“ (WeS, S. 20) Die Andere: Sie ist keine fremde oder gar feindliche, mir unverständlich gegenüberstehende Person. Vielmehr partizipiert auch sie am universalen Wir.
Wie also kann man Empathie und Mitmenschlichkeit als politischen Widerstand ebenso wie das Verständnis einer pluralen Gesellschaft bestärken? Nicht erst seit der Wahl von Donald Trump wird spür- und erkennbar, wie derzeit hasserfüllt über ‚die Anderen‘ geredet wird, wie politisch egoistisch das eigene Interesse bzw. die eigene Nation an erste Stelle rückt und wie engstirnig über die Welt nachgedacht wird. Wie lässt sich dieses geschlossene Denken wieder etwas öffnen? Wie lassen sich kollektiv vorgespurte Assoziationsketten (verschleierte Frau > unterdrückte Muslima > passt nicht zu uns > Ausländerin raus; bärtiger Mann > Terrorist; wachsender Ausländeranteil > mehr Moscheen > Moscheen als Rekrutierungsort für radikale MuslimInnen; etc.) durcheinander bringen, so dass Erfahrungen anstelle von Vorurteilen wirksam werden?
Anfangen bedeutet, aufzuzeigen, „wo etwas anderes möglich gewesen wäre, wo jemand sich hätte anders entscheiden können, wo jemand hätte einschreiten, wo jemand hätte aussteigen können“ (GdH., S. 170, Hervorhebung CE). Jede und jeder kann individuell eine gehörte Erzählung dort unterbrechen, wo sich Hass, Diskriminierung oder Menschenfeindliches eingeschlichen hat. Jeder und jede kann vorgefertigte Meinungen auch öffentlich befragen und so anfangen, sich einer dominanten Sicht-Weise zu entziehen und eine eigene Meinung zu entwickeln. Anfangen bedeutet also, zu wider-sprechen. „Dazu braucht es nur Vertrauen in das, was uns Menschen auszeichnet: die Begabung zum Anfangen. Wir können hinausgehen und etwas unterbrechen.“ (Rede, S. 8, Hervorhebung CE)
Unterbrechen wird zentral: es geht darum, automatische Gedankengänge oder Teufelskreise, eingeschliffene Vorurteile oder gebetsmühlenartig abgesprochene Antworten zu unterbrechen … um etwas anderes anfangen zu können.
Anfangen bedeutet auch, diese Dialektik zwischen Weltbezug und Selbstverständnis immer wieder von neuem zu lernen. Carolin Emcke nimmt hier die politphilosophische Spur von Hannah Arendt und Seyla Benhabib auf, indem sie sowohl auf den Menschenrechten und der liberalen Demokratie als auch auf dem Konzept des universalen Wir und der Pluralität beharrt. Verschiedenheit soll – und dies ist ein normativer Anspruch an die Gesellschaft – nicht zu einer Hierarchisierung von Unterschieden führen; und Gleichheit soll keine statische Identität erzwingen. „Der Plural, von dem hier die Rede ist, ist kein statisches ‚Wir‘, eine Masse, die sich zwangsweise selbst homogenisiert. Sondern der Plural in der Tradition Hannah Arendts ist einer, der sich aus der Vielfalt individueller Besonderheiten bildet. Alle ähneln einander, aber niemand gleicht einem oder einer anderen – das ist die ‚merkwürdige‘ und bezaubernde Bedingung und Möglichkeit von Normalität.“ (GdH, S. 192)
Anfangen – ist es einfach? Nein, es ist mühevoll und faszinierend, widerspruchsreich und phantasievoll. Es ist lebendig.
Emcke, Carolin: Von den Kriegen. Briefe an Freunde, Frankfurt 2006
Dies.: Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF, Frankfurt 2008
Dies: Wie wir begehren, Frankfurt 2012
Dies.: Weil es sagbar ist. Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit, Frankfurt 2014 (WeS)
Dies.: Gegen den Hass, Frankfurt 2016 (GdH)
Dies.: Anfangen – Dankesrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises, Frankfurt 2016
Benhabib, Seyla: Die Erzählerin als moralisches Zeugnis, Laudatio für Carolin Emcke zum Friedenspreis Frankfurt 2016
Bauman, Zygmunt: Unbehagen in der Postmoderne, Hamburg 1999
Freud Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur, 1930
Schmuckli, Lisa: Integration schafft Desintegration, in: Neue Wege, Zürich 10/2006
Shklar, Judith: Der Ungerechtigkeit Gerechtigkeit widerfahren lassen, Berlin 2009
* Dieser Text ist in gekürzter Fassung erstmals erschienen in: Neue Wege, Zürich, 3/2017.
Franco Bellettini
Ich bin sprachlos über soviel Moralismus und fühle
mich schmutzig und böse ohne politphilosophisches
Fass voll des milden Weins des Humanismus .
Selbsverständliches auf diese Weise aufzubereiten ,
in der diese Gesellschaft als mögliche beste aller Welten leuchtet wenn nur die Menschen………….
Tönt mehr nach Hesses Glasperlenspiel
als nach Freud oder einer ernsthaften
Auseinandersetzung mit Philosophie .