In der Diskussion um Pegida, die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) und deren Bewertung gibt es eine Tendenz, das Auftreten dieser Formationen als Normalisierung der politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik zu betrachten. Pegida erscheint wahlweise als ein Dresdner oder ein ostdeutsches Spezifikum, das berechtigte Ängste der Bürgerinnen und Bürger vor „kultureller Enteignung“ ausdrückt. Und die AfD gilt als rechtes Pendant zur Linkspartei, mit deren Durchsetzung die Balance im politischen System wieder hergestellt wäre.[1] Um es vorab zu sagen: Ich halte von solchen Deutungen wenig. Weder ist eine mobilisierungsfähige soziale Bewegung von rechts à la Pegida ein ausschließlich ostdeutsches oder ein bloßes Dresdner Phänomen, noch lassen sich die Wahlsiege der AfD als Normalisierung der deutschen Parteienlandschaft begreifen. Normalisierung ist keine analytische Kategorie; sie verharmlost und erklärt – nichts!
Meine Gegenthese lautet, dass wir es nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in ganz Europa und möglicherweise auch in den USA mit einer national-sozialen Gefahr zu tun haben. In nahezu allen europäischen Ländern sind rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch, teilweise gehören sie den Regierungen ihrer Länder an. Bei der Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten 2016 hat der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ Hofer nahezu 50 Prozent der Stimmen erhalten. Trotz aller nationalen wie regionalen Besonderheiten zeichnet sich doch so etwas wie ein gemeinsames Grundmuster ab. Der neue Rechtspopulismus besetzt die soziale Frage und deutet sie in einen Verteilungskampf um, der zwischen Innen und Außen, zwischen zivilisierten und vermeintlich minderwertigen Kulturen ausgetragen wird.
Pegida und die AfD müssen in diesem Kontext verortet werden. Sie sind regionale und nationale Variationen eines Phänomens, das ich – zumal in Deutschland – für brandgefährlich halte. Brandgefährlich, weil ein Zusammenspiel zwischen außerparlamentarischer Bewegung von rechts, der AfD als parlamentarischem Arm und defensiv-anbiedernden Reaktionen aus dem Spektrum der etablierten Parteien zu einer Aushöhlung demokratischer Institutionen und Verfahren führt, die – geradezu paradox – als Demokratiebewegung für die Rettung des Abendlandes betrieben wird. Pegida, Legida, Thügida etc. und die AfD bestellen ein Feld, das Vigilanten vom Typus Freitaler Bürgerwehr mit ihrem Terror gegen Geflüchtete überhaupt erst hof- und handlungsfähig macht. Sie bestellen dieses Feld, indem sie Ressentiments und negative Klassifikationen, die im Alltagsbewusstsein nicht nur von Mittelklasse-Angehörigen, sondern auch von gewerkschaftlich organisierten Lohnabhängigen stark verbreitet sind, verstärken und radikalisieren. Die Tatsache, dass Pegida seit einiger Zeit an Mobilisierungskraft verliert, ändert an dieser Einschätzung nicht das Geringste. Nachfolgend konzentriere ich mich auf den Zusammenhang von Rechtspopulismus und sozialer Frage. Meine Sicht der Dinge präsentiere ich in thesenförmiger Zuspitzung und beziehe mich dabei auf eigene empirische Untersuchungen.[2]
These 1: Der neue Rechtspopulismus ist – nicht ausschließlich, aber doch signifikant – eine Bewegung gegen die Zumutungen und Zwänge des Marktes, die von Lohnabhängigen getragen wird und bei Arbeitern und Arbeitslosen auf überdurchschnittliche Zustimmung stößt.
Dieses Phänomen ist ein lange bekanntes und es ist ein internationales. Formationen wie der Front National oder die FPÖ haben immer wieder spektakuläre Wahlergebnisse bei Arbeitern und in Milieus erzielt, in denen linke Parteien und Gewerkschaften lange hegemonial waren. Bei den österreichischen Bundespräsidentenwahlen stimmten im ersten Wahlgang 72 Prozent der Arbeiter für den rechtspopulistischen Kandidaten Hofer; bei den Angestellten bekam Hofer immerhin noch 37 Prozent und lag damit auch in dieser Gruppe an der Spitze. In Deutschland gibt es eine ähnliche Tendenz. Die AfD war bei den Landtagswahlen 2016 in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bei männlichen Arbeitern und Arbeitslosen besonders erfolgreich. In Sachsen-Anhalt stimmten 37 Prozent der Arbeiter und 38 Prozent der Arbeitslosen für die rechtspopulistische AfD; in diesen Gruppen lag sie vor CDU, SPD und Linken. In Baden-Württemberg votierten 30 Prozent der Arbeiter und 32 Prozent der Arbeitslosen für die rechtspopulistische Partei; in Rheinland-Pfalz waren es immerhin noch 26 Prozent der Arbeitslosen.
Die hohe Zustimmung von Arbeitern und Arbeitslosen erfolgt, obwohl das Programm der AfD trotz Abspaltung des wirtschaftsliberalen Flügels noch immer marktradikale Elemente enthält. Wichtigstes Motiv für die Wahl der AfD ist, neben der Flüchtlingsthematik, die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Das dürfte bei den Protestmotiven von Pegida-Anhängern nicht anders sein. Pegida ist eine Bewegung Polanyischen Typs.[3] Sie richtet sich gegen die Universalisierung von Marktvergesellschaftung und Konkurrenz und vor allem gegen deren Folgen. Ökonomische Marktmacht wirkt diffus und abstrakt, sie lässt sich selten eindeutig zuordnen und die Kritik an ihr kann in unterschiedliche Richtungen politisiert werden. Bewegungen gegen den Markt können, wie die frühen sozialistischen Arbeiterbewegungen, systemtranszendierende Ziele verfolgen; sie können aber auch bloßen Schutz vor marktvermittelter Konkurrenz einfordern und reaktiv-nationalistische oder, wie im Falle faschistischer Mobilisierungen, geradezu terroristische Züge annehmen. Im Unterschied zu den Implikationen des Marx’schen Klassenuniversalismus, der unterstellte, die Exploitation des Weltmarktes werde die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestalten, muss in Anlehnung an Polanyi von einer Vielfalt marktkritischer Gegenbewegungen ausgegangen werden. Nivellierende Marktmacht kann unter Lohnabhängigen eine endemische Tendenz bestärken, klassenunspezifische Grenzen abzustecken, auf deren Basis sie beanspruchen können, vor dem Mahlstrom des Marktes und der Konkurrenz geschützt zu werden.
Genau das leistet Pegida. Sie betreibt eine Politik mit den Grenzen, die auf Statuserhalt und Schutz der eigenen Lebensweise mittels Flüchtlingsabwehr zielt. Unmut, Unzufriedenheit, Gesellschafts- und Kapitalismuskritik, die unter Lohnabhängigen weit verbreitet sind, dienen dieser Bewegung als Problemrohstoff, der in völkisch-ethnopluralistischen Deutungsmustern angerufen und synchronisiert wird. Dabei gelingt es einer winzigen, mit Personen aus lumpenproletarischen Kreisen durchsetzten Führungsgruppe, Arbeiter, Angestellte und kleine Selbstständige mit überdurchschnittlicher Bildung und leicht überdurchschnittlichem Einkommen zu mobilisieren, die ihren sozialen Status mit dem Mittel des Ressentiments zu verteidigen suchen.
These 2: Rechte Orientierungen unter Lohnabhängigen sind kein neues Phänomen. Orientierungen, die kognitive und emotionale Brückenschläge zum Rechtspopulismus beinhalten, gab es in Ost und West schon lange vor Pegida und der AfD. Grundsätzlich muss zwischen „konformistischen“ „konservierenden“ und „rebellischen“ Orientierungen unterschieden werden.
Die „rebellische“ Variante findet sich vor allem bei Arbeitslosen und prekär Beschäftigten. Ihnen dient das negativ besetzte Feindbild der Anderen, Fremden, Ausländer etc. vor allem dazu, mittels Abgrenzung positiv besetzte eigene Zugehörigkeiten zu konstruieren. Auf die „konservierende“ Variante stoßen wir bevorzugt bei formal gut integrierten Beschäftigten, die sich mit drohendem sozialem Abstieg konfrontiert sehen oder zumindest von Abstiegsängsten getrieben werden. Sie versuchen, ihre eigene soziale Position zu verteidigen, indem sie Ressentiments als Triebfeder „gesellschaftlicher und politischer Aktion“ (Castel 2005: 67 f.) nutzen. Ressentiments gegen andere werden gezielt als Mittel in der Konkurrenz um Ressourcen und gesellschaftlichen Status eingesetzt. Im Grunde geht es diesen Beschäftigten darum, das Sicherheitsversprechen des Sozialkapitalismus zu bewahren, indem die Zahl der Anspruchsberechtigten nach ethnischen, nationalen oder kulturellen Kriterien begrenzt wird. Entsprechende Orientierungen umfassen Elemente einer Arbeitersolidarität, deren Funktionsfähigkeit in den Augen der Betroffenen jedoch durch ethnische oder nationale Heterogenität gefährdet wird. In diesem „reaktiven Nationalismus“ paart sich ein rudimentärer Klasseninstinkt mit einer Mischung aus Missgunst und Verachtung, „die auf Unterschieden zwischen sozialen Lagen fußt und bei der man die Verantwortung für das eigene Unglück bei jenen Gruppen sucht, die sich auf der sozialen Leiter knapp oberhalb oder knapp unterhalb der eigenen Position befinden“ (Ebd.: 68).
Der „konformistische“ Rechtspopulismus taucht bevorzugt in höheren, abgesicherten beruflichen Positionen auf. Um eine „konformistische“ Variante handelt es sich, weil sie wesentlich auf Überanpassung an hegemoniale Normen beruht und sich durch eine eher affirmative Haltung zu einem marktzentrierten Umbau des Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells der Bundesrepublik auszeichnet. Charakteristisch für diese Variante ist, dass Team, Belegschaft und Nation als Gemeinschaften hart arbeitender Menschen konstruiert werden. Wer den Leistungserwartungen dieser Gemeinschaften nicht entspricht, dem wird die Zugehörigkeit verweigert. Was sie von sich selbst erwarten, die vorbehaltlose Erfüllung vorgegebener Leistungsnormen, verlangen die Betreffenden auch von anderen. Integration von Migranten ist für sie daher nur als einseitige Integration in die „deutsche Kultur“ der Leistungsbereiten vorstellbar. Und gerade hier sehen die „Konformisten“ eine Gerechtigkeitslücke. Das eigene Streben nach nahtloser Integration in die betriebliche Arbeitswelt dient als normative Referenzfolie, um gesellschaftliche Probleme zu bewerten. Integration, etwa von Geflüchteten, ist dann nur noch als Assimilation, als nahtlose Anpassung an die dominante Kultur denkbar.
Wer solchen Leitvorstellungen nicht entspricht, läuft Gefahr, als nicht integrationsfähig, mithin ausgrenzbar, abqualifiziert zu werden. Solche Orientierungen haben sich über Jahrzehnte hinweg als rechtspopulistische Unterströmung bemerkbar gemacht, die in demokratischen Parteien, aber auch in den Gewerkschaften wirkten. Neu ist nun, dass sich diese Unterströmung zu einer eigenständigen politischen Kraft formiert, sich organisatorisch verselbständigt und in Gestalt der AfD möglicherweise auf nationaler Ebene etabliert. Das war lange Zeit nicht möglich, weil es dem organisierten Rechtspopulismus an geeignetem Führungspersonal fehlte, vor allem aber, weil es ihm nie gelang, sich glaubwürdig von der nationalsozialistischen Vergangenheit zu distanzieren. Das ist nun anders. Die neue Rechte hat Massenanhang und mit jedem Tabubruch erweitert sie das Terrain und den Handlungsspielraum auch für die militante Rechte. Die Distanzierung vom historischen Faschismus ist allenfalls noch als taktisches Manöver nötig. Die Nationalsozialisten laufen bei Pegida und den AfD-Aufmärschen mit – und keinen der Demonstranten stört es. Thügida, offen national-sozial, zieht an Hitlers Geburtstag durch das thüringische Jena. Die AfD flankiert mit einer kleinen Anfrage im Landtag und will wissen, ob die Jenaer Universität Räume zur Vorbereitung von Gegendemonstrationen und für Blockadetrainings zur Verfügung gestellt hat. Und die Justiz sieht keinen Grund für ein Verbot der Thügida-Demo, weil diese sich offiziell nur gegen die „linke Diktatur“ in Jena richtet – ein Phänomen, das bekanntlich nichts mit dem Hitlergeburtstag zu tun hat. Das Zusammenspiel von militantem Neo- und Proto-Faschisten, parlamentarischem Rechtspopulismus und begünstigenden Staatsapparaten erzeugt eine neue national-soziale Gefahr. Diese Gefahr entsteht daraus, dass der zeitgenössische National-Sozialismus als radikale Variante der „Volksmeinung“ erscheint. Deshalb ist es alles andere als beruhigend, wenn sich der größte Teil der Pegida-Sympathisanten nicht mit rechtsextremer Programmatik identifiziert (Patzelt/Klose 2016). Das Problem ist ein anderes. Auch die indifferenten „Wutbürger“ finden nichts dabei, ihre Pegida-Happenings gemeinsam mit Alt- und Neo-Faschisten zu begehen. So wird der National-Sozialismus zu einer Meinung unter anderen, wie sie in einem Konzert pluraler Stimmen eben immer auftritt. Dass diese nationalen Sozialisten Demokratie und Meinungsfreiheit abschaffen wollen, dass sie Menschen- und Grundrechte, die eine Voraussetzung moderner Demokratien sind, mit Füßen treten, bleibt völlig unerwähnt. Von solcher Duldsamkeit ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zu jenen Vigilanten, die Gewalt gegen Geflüchtete als legitime Selbstjustiz begreifen, die den Willen der Mehrheit praktische Tat werden lässt.
These 3: Die national-soziale Mobilisierung beruht auf ethnopluralistischen und nationalkonservativen Deutungsmustern, die den wissenschaftlichen Theorietyp nachahmen. Von einer intellektuellen Neuen Rechten werden diese Deutungsmuster seit mehr als drei Jahrzehnten in immer neuen Variationen popularisiert.
Der Ethnopluralismus der Neuen Rechten ist im Grunde ein „Rassismus ohne Rassen“. Rasse wird durch Kultur ersetzt und Kultur gleichsam naturalisiert und homogenisiert. Nur starke Kulturen gelten als überlebensfähig, Multikulturalismus hingegen schwächt. Ethnopluralismus betont Vielfalt. Jede und jeder soll seine Kultur leben können, aber eben nur bei sich zu Hause. In der Konsequenz läuft angewandter Ethnopluralismus auf eine Welt von Apartheid-Staaten hinaus. Allerdings können ethnopluralistische Deutungsmuster höchst flexibel angewandt werden. Aktuell geschieht dies in der Postulierung eines Verteilungskampfs um das „Volksvermögen“ (Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringischen Landtag), der weder zwischen Oben und Unten noch zwischen Arm und Reich, sondern zwischen Innen und Außen, zwischen „deutschem Volk“ und „migrantischen Invasoren“ ausgetragen wird. Vordenker der neuen Rechten beklagen in Blogs und einschlägigen Publikationen eine „Landnahme fremder Völker“ (Kellershohn 2016); Fluchtmigranten werden als Invasoren attackiert, weil sie in angeblicher Komplizenschaft mit der politischen Klasse eine „Umvolkung“ (Ebd.) Deutschlands betreiben und sich über die Einwanderung in die Sozialsysteme „deutsches Volksvermögen“ aneignen.
Völkisch grundierte Argumentationen reanimieren einen Bedeutungsgehalt der Landnahme-Kategorie, der über eine lange Tradition verfügt. Die Grundlegung eines Landnahmekonzepts, das die ursprüngliche Inbesitznahme von Land als Recht der zivilisatorisch höher stehenden Völker definiert, stammt von dem nationalkonservativen Staatsrechtler Carl Schmitt. Für ihn ist die Landnahme „nach Außen (gegenüber anderen Völkern) und nach Innen (für die Boden- und Eigentumsordnung innerhalb eines Landes) der Ur-Typus eines konstituierenden Rechtsvorganges“ (Schmitt 2006 [1950]: 414). Diese Definition von Landnahme als einem rechtsbegründenden Ur-Akt soll auch dann gelten, wenn das okkupierte Land früheren Eigentümern und Bevölkerungen genommen wird. Schmitt erläutert diese Auffassung am Beispiel der Inbesitznahme der Neuen Welt durch europäische Mächte. Unter Berufung auf Benjamin Franklin postuliert er das Recht der auf einer höheren Kulturstufe verortbaren Völker, sich den Grund und Boden von zivilisatorisch angeblich unter ihnen stehenden Ureinwohnern anzueignen (Schmitt 1974 [1950]: 171 f.). Nach Schmitts Auffassung beinhaltet die Aneignung fremden Landes in ursprünglichen Landnahmen kein normatives Problem; jede Landnahme ist ein Recht schaffender, amoralischer Vorgang. Die landnehmende Macht kann das Land der Ureinwohner so behandeln, als sei es herrenlos. Im Begriff des Nomos, der Landnahme als ursprünglichen Rechtsakt und der Auffassung vom Recht als „Einheit von Ordnung und Ortung“ (Ebd.: 13), wird ein Herrschaftsverhältnis konstituiert.
Verantwortung besitzt die landnehmende Macht in erster Linie gegenüber der Natur, erst in zweiter Linie gegenüber den Ureinwohnern, deren Lebensweisen am Maßstab einer gleichsam naturalisierten Zivilisationsordnung bewertet und klassifiziert werden. Die konstruierte und behauptete Zivilisationsstufe begründet ein Verhältnis von Über- und Unterordnung, das mit Recht und Rechtlosigkeit einhergeht. Pikanterweise begründete Schmitt auch den vermeintlichen Sonderstatus der Juden mit ihrer „Staatenlosigkeit“, mit der historischen Lage eines „Gastvolkes“ (Gross 2005: 76). Die Auffassung von Recht setzenden Staaten und gesetztes Recht erleidenden „barbarischen“ Völkern hat in der Volk-ohne-Raum-Ideologie, die der Nationalsozialismus zur Begründung seines kriegerischen Expansionsstrebens nutzte, nur eine – allerdings extreme – Zuspitzung erfahren.
Der zeitgenössische Rechtspopulismus kehrt das Schmitt’sche Argumentationsmuster um. Fluchtbewegungen gelten ihm als „moderne Völkerwanderung“ und „feindliche Landnahme“.[4] Flüchtlinge betrieben eine „Landnahme durch Asylantrag“.[5] Wegen „Allahs stiller Landnahme“, die zu „Eurabien“ führe, sei „der Bürgerkrieg vorprogrammiert“.[6] Als erste treffe es „die Schwächsten: die Frauen“. Sexuelle Gewalt „zur Demütigung des weiblichen Teils der einheimischen Bevölkerung“ stelle „eine typische Taktik bei der Landnahme durch ausländische Mächte“ dar.[7] Mit solcher Angriffssemantik verstärkt der Rechtspopulismus die besondere Verwundbarkeit der Geflüchteten. Er rechnete sie einer niederen Zivilisationsstufe zu und stellte sie unter Generalverdacht. Geflüchtete werden pauschal als potentielle Gewalttäter, Terroristen und Frauenschänder attackiert. An die Stelle von ‚Rasse‘ setzte der Rechtspopulismus den untolerierbaren Islam und die minderwertige Kultur. Das ermöglicht ihm die Abwertung einer sozialen Großgruppe, die er pauschal als unnütz, unproduktiv, tendenziell kriminell und deshalb als nicht integrierbar klassifiziert. Das Gegenkonzept zur so konstruierten barbarischen Invasion bildete die Verteidigung eines als ethnisch „rein“ und homogen vorgestellten Staatsvolkes.
Der Kern der Argumentation besteht darin, Ursachen und Wirkungen des kapitalistischen Expansionismus zu vertauschen und Herrschaftsverhältnisse auf „natürliche“ Ursachen, auf vermeintlich zivilisationsbedingte Unterschiede, ethnische oder kulturelle Differenzen zurückzuführen. Mit Hilfe dieser semantischen Operationen vermag der zeitgenössische Rechtspopulismus Fluchtbewegungen, die zumindest mittelbar als Reaktion auf die marktgetriebene Globalisierung entstehen, in eine Invasion unzivilisierter Barbaren umzudeuten. Ausgerechnet die verwundbarsten gesellschaftlichen Gruppen erhalten so das Stigma von Landräubern, die angeblich den Genozid des einheimischen Volkes und seiner gleichsam naturalisierten Nationalkultur betreiben. Derart aufgeladen wird Landnahme zur Metapher einer ethnopluralistischen Angriffsideologie. In Verteilungskämpfen, die zu Konflikten zwischen starken und schwachen Nationen oder starken und schwachen Kulturen uminterpretiert werden, dient der Begriff als sprachliche Waffe, die sich gegen ‚anders‘ und ‚unten‘, gegen die Schwächsten der Gesellschaft einsetzen lässt.
These 4: Je auswegloser es erscheint, als ungerecht empfundene Verteilungsverhältnisse mittels demokratischer Umverteilung von oben nach unten und von den Starken zu den Schwachen zu korrigieren, desto eher tendieren Lohnabhängige spontan zu exklusiver, ausschließender Solidarität. Das macht sie für rechtspopulistische Anrufungen empfänglich.
Beschäftigte, die sich im finanz-kapitalistischen Wettbewerbsregime permanent auf die Probe gestellt sehen, neigen spontan zu Unduldsamkeit gegen Schwächere, weniger leistungsbereite Gruppen. Wir haben dieses Phänomen in unseren Belegschaftsbefragungen sowohl in Ost-, als auch in Westbetrieben erfasst. Und wir haben es auch in Dresden gefunden. Ständige Bewährungsproben begünstigen ein Verhalten, das auf exklusive Solidarität, auf eine kollektive Abwertung sozialer Gruppen durch andere hinausläuft. So waren trotz mehrheitlicher Ablehnung von Hartz IV 54 Prozent der von uns befragten Arbeiter eines Automobilherstellers der Ansicht, es müsse mehr Druck auf Langzeitarbeitslose ausgeübt werden, 51 Prozent meinen, eine Gesellschaft, in der man jeden auffange, sei auf Dauer nicht überlebensfähig.[8] Dieser Indikator für sozialdarwinistische Haltungen fand im Westen noch größere Zustimmung als im Osten. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass der Betrieb und die Stammbelegschaft auch als soziale Orte ausgrenzender Integration funktionieren. Statusgenerierend ist die Leistungsgemeinschaft der produktiv Beschäftigten. Wer nicht dazu gehört – seien es Hartz IV-Empfänger oder Schulden machende Griechen –, hat im Zweifelsfall keinen oder doch nur einen verminderten Anspruch auf Solidarität.
Auffällig ist, dass das Statement „Eine Gesellschaft, in der jeder aufgefangen wird, ist auf Dauer nicht überlebensfähig“ bei Arbeitern und produktionsnahen Angestellten die größte Zustimmung findet; am geringsten ist sie bei den Sachbearbeitern. Dem scheint auf den ersten Blick zu widersprechen, dass die produktionsnahen Befragten die Arbeitsmarktreformen am deutlichsten ablehnen und in „Hartz IV“ vor allem ein Mittel zur Disziplinierung der Arbeitenden sehen. Und doch ist es die gleiche Statusgruppe von Arbeitern und produktionsnahen Angestellten, die mehrheitlich und im Gruppenvergleich am häufigsten größeren Druck auf Arbeitslose befürwortet. Was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, lässt sich erklären, wenn man die Relevanz der jeweiligen Statements für die jeweils eigene Statusposition reflektiert. „Hartz IV“ als Disziplinierungsmittel betrifft die soziale Positionierung von Arbeitern und produktionsnahen Angestellten, die näher an der Zone der Verwundbarkeit angesiedelt ist als die von Angestellten und Führungskräften. Wer sich aktuell einigermaßen sicher fühlt, weiß doch, dass das soziale Netz im Falle des Arbeitsplatzverlustes schwächer geworden ist. Ein Arbeiter, der den gut bezahlten Job in der Exportwirtschaft verliert, wird selbst in prosperierenden Regionen nicht umstandslos einen gleichwertigen Arbeitsplatz finden. Im schlimmsten Fall droht bei längerer Dauer „Hartz IV“ und damit der Rückfall auf eine Position unterhalb einer Schwelle gesellschaftlicher Respektabilität. Schon die diffuse Befürchtung, dass dergleichen drohen könnte, löst Verunsicherung aus.
Die Tendenz zu exklusiver Solidarität richtet sich vor allem gegen Arbeitslose und Ausgeschlossene. Wer arbeitet und leistungsbereit ist, der sieht sich von „Hartz IV“ zu Unrecht auf die Probe gestellt. Und dieses Ungerechtigkeitsbewusstsein sucht sich häufig ein Ventil. Der Zorn richtet sich gegen jene, die – vermeintlich – die Bewährungsproben meiden und sich so dem Gebot der Leistungsgerechtigkeit entziehen. Das Verhalten von Erwerbslosen, Hilfebedürftigen und auch von Geflüchteten erscheint den Festangestellten als Gerechtigkeitsproblem. Die abgewerteten Gruppen verhalten sich in den Augen der klassifizierenden Arbeiter geradezu antiemanzipatorisch, weil sie sich mit äußerster Entfremdung, mit Situationen vollständigen Ausgeliefertseins arrangieren. Personen und Gruppen, die sich derart vollständig unterwerfen, die sich einer Situation totaler Entfremdung wehrlos ausliefern, sind gerade aus der Perspektive gewerkschaftlich organisierter Arbeiter und Angestellter eine latente oder gar eine manifeste Bedrohung jeglicher Solidarität von Lohnabhängigen. Das gilt umso mehr, wenn Geflüchtete als Argument herhalten müssen, Ausnahmen vom Mindestlohn zu machen und auf diese Weise in unmittelbare Konkurrenz zu den verwundbarsten Gruppen am Arbeitsmarkt gesetzt werden.
Hinzu kommt: Die Welt der Prekarisierten und Ausgegrenzten lässt sich nicht mehr aus der Welt der noch einigermaßen geschützten Lohnarbeit heraushalten. Wenn nicht im eigenen Werk, so begegnet man der bedrohlichen Realität im Nachbarbetrieb oder im Wohngebiet. Abgrenzung, Distinktion oder gar kollektive Abwertung können dazu dienen, den Wettkampf mit prekarisierten Gruppen mit dem Mittel des Ressentiments zu bestreiten. Doch je näher entsprechende Lebensrealitäten rücken und je stärker sie Personen betreffen, die man selbst kennt, desto schwerer wird es, Vorurteile zu konservieren und sie strategisch zur Selbstaufwertung und damit zur Stigmatisierung anderer einzusetzen. Die unterschiedlichen Auffassungen in der Belegschaft und die innere Widersprüchlichkeit der Sichtweisen jener Befragten, die zu exklusiver Solidarität tendieren (gegen Hartz IV, aber für mehr Druck auf Langzeitarbeitslose), machen deutlich, dass sich entsolidarisierende Mechanismen nicht zwangsläufig und auch nicht im Selbstlauf durchsetzen. Offenbar existiert Spielraum für Handlungsstrategien, die auf eine inklusive Solidarität mit prekär Beschäftigten, Erwerbslosen und auch mit Geflüchteten zielen.
These 5: Eine große Herausforderung für die Gewerkschaften besteht darin, dass sich rechte Orientierungen mit Affinität zum Rechtspopulismus häufig bei jungen, aktiven, neu gewonnenen Mitgliedern finden.
Neu ist, dass vor allem jüngere Beschäftigte, gerade auch im Osten, wahrgenommene Verteilungsungerechtigkeit nicht mehr passiv hinnehmen. Das mobilisierungsfähige Thema in den meisten von uns untersuchten ostdeutschen Betrieben ist der Lohn. Lohnforderungen bündeln aber höchst unterschiedliche Lebenslagen und Erfahrungsräume. In ihnen artikulieren sich lang anhaltende Stagnationstendenzen bei den Einkommen Festangestellter und daraus erwachsende Kritik an als ungerecht empfundenen Verteilungsverhältnissen ebenso wie fortbestehende Ost-West-Differenzen oder besondere Diskriminierungen von Frauen, prekär Beschäftigten, gering Qualifizierten und Migranten. In einer zerklüfteten Arbeitswelt erweist sich der Lohn als verbindendes Thema – auch weil er eine Quantifizierung von qualitativ Verschiedenem leistet. In den Arbeitskonflikten geht es daher auch, aber eben nie ausschließlich, ums Geld. Gekämpft wird für ‚Living Wages‘. Löhne zum Leben müssen aus der Arbeitskraftperspektive nicht nur deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, sondern auch Zugang zu gesellschaftlichen Basisgütern sichern. Mit der Forderung nach gerechter Entlohnung sind in unseren Untersuchungsbetrieben Themen wie Arbeitszeit, Leistungsintensivierung, Flexibilisierungsdruck, Planungsunsicherheit im Privatleben und nicht zuletzt die Kritik an autoritativen betrieblichen Kontrollregimes verkoppelt. Gewerkschaftliche Organisierungserfolge gelingen vor allem bei Angehörigen jüngerer Alterskohorten mit eher schwach ausgeprägter Bindung an Arbeitsplatz, Betrieb, Unternehmen und Region, die „jetzt“ einen höheren Lohn und ein besseres Leben wollen. Gewerkschaftliche Organisierung ist für sie kein Wert an sich, schon gar kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um in Verteilungskämpfen für sich das Beste herauszuholen; sie stehen für ein „Ende der Bescheidenheit“ im Osten. Ihre gewerkschaftliche Überzeugung ist allerdings ähnlich fragil wie die Identifikation mit Betrieb und Unternehmen. Diese Gruppe erweist sich – trotz gewerkschaftlicher Organisierung – für rechtspopulistische und auch rechtsextreme Anrufungen als besonders empfänglich.
Befragte Gewerkschaftssekretäre haben uns immer wieder darauf hingewiesen, dass die Wahl zum Jugendvertreter und Likes bei rechtsextremen oder rechtspopulistischen Parteien durchaus keinen Widerspruch darstellen. Eine fragile gewerkschaftliche Grundüberzeugung reicht offenbar nicht aus, um das subjektive politische Weltbild von Arbeitern und Angestellten zu strukturieren. Man mag das bedauern. Ich plädiere für eine andere Sicht. Offenbar gehören die Gewerkschaften zu den wenigen demokratisch-zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die frustrierten Arbeitnehmermilieus der Republik überhaupt noch erreicht. Hier liegt die eigentliche gesellschaftliche Bedeutung dessen, was wir an anderer Stelle als (nachholende) Demokratisierung der betrieblichen Arena bezeichnen. Wer sich selbstbewusst und in demokratischer Form für seine eigenen Interessen und gegen wahrgenommene Ungerechtigkeit engagiert, der ist für die Demokratie noch lange nicht verloren. In der Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Orientierungen haben die Gewerkschaften einen schwierigen Spagat zu leisten. Einerseits tendieren Gewerkschafter zu einer Politik der „klaren Kante“ gegenüber Formationen, die sie als zutiefst antidemokratisch wahrnehmen. Sie schrecken nicht davor zurück, Mitglieder aus der Organisation auszuschließen. Andererseits wollen sie sich dem Dialog mit Kolleginnen und Kollegen nicht verweigern, deren Protesthaltung sie nachvollziehen können. In solchen Auseinandersetzungen dürften, so befragte Sekretäre, die Gewerkschaften nicht als Establishment-Organisation wahrgenommen werden. Entsprechende Gratwanderungen seien alles andere als einfach. Häufig glichen die Auseinandersetzungen einem „Geschwimme, das uns überfordert, weil wir von den Kapazitäten nicht darauf eingerichtet sind“ (Dörre/Goes/Schmalz/Thiel 2016).
Wichtig ist indessen, dass die Auseinandersetzung überhaupt geführt wird. Als der IG-Metall-Vorsitzende Hofmann in einem Radio-Interview erklärte, „Wer hetzt, fliegt“, flogen tatsächlich Mitgliedsbücher.[9] Genau dies kann zu defensiven Reaktionen führen, weil Gewerkschafter und Betriebsräte wegen drohender Austritte vorsichtshalber auf eine Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Tendenzen verzichten. Umso wichtiger ist, dass es in der Arbeitswelt überhaupt Aktive gibt, die Diskussionen mit potentiellen Wählern und Sympathisanten rechtspopulistischer Formationen bestehen. Bei der Stärkung gewerkschaftlicher Organisationsmacht und Handlungsfähigkeit geht es daher um sehr viel mehr, als um die Zukunft einer altehrwürdigen Interessenorganisation. Es geht um die Zukunft der Demokratie in einem sozial gespaltenen Land. In diesem Zusammenhang gilt es, jene zarten Pflänzchen zu hegen und zu pflegen, die sich der national-sozialen Gefahr in den Betrieben offensiv widersetzen.
These 6: Das wirkungsvollste Gegenmittel gegen die Neue Rechte und deren gewaltaffine Radikalisierung ist eine Politik demokratischer Umverteilung.
„Wir müssen den Klassenkampf wieder auf die Tagesordnung bringen. Und das ist allein dadurch zu bewerkstelligen, dass man auf die globale Solidarität der Ausgebeuteten und Unterdrückten besteht … Vielleicht ist eine solche globale Solidarität eine Utopie. Doch wenn wir nichts tun, dann sind wir wirklich verloren – und wir verdienen es, verloren zu sein“, schreibt Slavoj Žižek in einer Streitschrift (Žižek 2015). Um handlungsfähig zu werden, müsse die Linke mit einigen Tabus brechen. Dazu gehöre die verbreitete Vorstellung, „der Schutz der eigenen Lebensweise sei an sich protofaschistisch oder rassistisch“. Den Sorgen der einfachen Leute, die um die Bedrohung der eigenen Lebensweise kreisten, könne auch von einem linken Standpunkt aus begegnet werden – Bernie Sanders, demokratischer Sozialist und Herausforderer von Hilary Clinton, sei der lebendige Beweis. Der Schutz der eigenen Lebensweise dürfe nicht als solcher zurückgewiesen werden. Vielmehr müsse gezeigt werden, dass eine Verteidigung durch Rechtspopulisten diese Lebensweise in viel größerem Maße bedrohe als „alle Einwanderer zusammen“ (Žižek 2015).
Ich fürchte, Žižek hat Recht. Ohne die Frage nach demokratischer Umverteilung – nicht nur zwischen oben und unten, sondern auch zwischen starkem Exportsektor und abgewerteten reproduktiven Sektoren, zwischen starken und schwachen Ländern in Europa und der Welt, zwischen Klimagewinnern und Klimaverlierern – anzugehen, kann die soziale Frage den Rechtspopulisten nicht mehr genommen werden. Deshalb wäre es auch für die Gewerkschaften und die politische Linke wichtig, Walter Korpis Idee des demokratischen Klassenkampfs (Korpi 1983) mit neuem Leben zu füllen. Demokratischer Klassenkampf bedeutet, dass es sich um einen Kampf handelt, der, ungeachtet aller Härte der Auseinandersetzungen, auf der Grundlage verbriefter ökonomischer und sozialer Rechte der Lohnabhängigen ausgetragen wird. Die Grundidee besagt, dass Konflikt und Dissens auch in Betrieb und Arbeitswelt eine Bedingung funktionierender Demokratie sind. Diese Idee wiederzubeleben und zu internationalisieren, ist eine mehr als anspruchsvolle Aufgabe. Sie nicht anzugehen bedeutete, dem Rechtspopulismus und seiner autoritären Ideologie das Feld zu überlassen.
Castel, Robert (2005): Die Stärkung des Sozialen. Leben im neuen Wohlfahrtsstaat. Hamburg: Hamburger Edition.
Dörre, Klaus/Goes, Thomas/Schmalz, Stefan/Thiel, Marcel (2016): Streikrepublik Deutschland. Frankfurt/M.: Campus.
Dörre, Klaus/Happ, Anja/Matuschek, Ingo (Hg.) (2013): Das Gesellschaftsbild der LohnarbeiterInnen. Soziologische Untersuchungen in ost- und westdeutschen Industriebetrieben. Hamburg: VSA.
Dörre, Klaus/Kraemer, Klaus/Speidel, Frederic (2006): The Increasing Precariousness of the Employment Society: Driving Force for a New Right Wing Populism? International Journal of Action Research 2 (1), 98-128.
Gross, Raphael (2005): Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Kellershohn, Helmut (2016): Vorbürgerkrieg. In Gießelmann, B/Heun, R./Kerst, B./Suermann, L./Virchow, F. (Hg.): Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag, S. 326-339.
Korpi, Walter (1983): The democratic class-struggle. London.
Patzelt, Werner J./Klose, Joachim (Hg.) (2016): Pegida. Warnsignale aus Dresden: Thelem (Social Coherence Studies 3).
Polanyi, Karl (1995 [1944]): The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Rucht, Dieter (2015): Pegida & Co. Aufstieg und Fall eines populistischen Unternehmens. Freidrich-Ebert-Stiftung (Hg). Betrifft: Bürgergesellschaft 41.
Schmitt, Carl (2006 [1950]): Das Recht als Einheit von Ordnung und Ortung. In Dünne, Jörg/Günzel, Stephan (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften. Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 409-419.
Schmitt, Carl (1974 [1950]): Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum. Zweite Aufl. Berlin: Duncker & Humblot.
Vorländer, Hans/Herold, Maik/Schäller/Steven (2016): Pegida. Entwicklung, Zusammensetzung und Deutung einer Empörungsbewegung. Wiesbaden: Springer VS.
Žižek, Slavoj (2015): Der Neue Klassenkampf. Die wahren Gründe für Flucht und Terror. Berlin: Ullstein.
[1] In der sozialwissenschaftlichen Kontoverse um Pegida scheinen solche Bewertungen zumindest oder auch in der Zurückweisung immer wieder auf. Zur Kontroverse trotz ähnlicher empirischer Befunde vgl. z. B.: Patzelt/Klose 2016; Vorländer/Herold 2016; Rucht 2015. Vgl auch den Mitschnitt der Veranstaltung „Pegida verstehen und erklären“.
[2] Soweit nicht anders ausgewiesen, handelt es sich um die Studie von Dörre et al. 2016. Dort findet sich weiterführende und zitierte Literatur.
[3] Bewegungen Polanyi’schen Typs formieren sich in der Regel als klassenunspezifische (vgl. dazu: Polanyi 1995).
[4] So FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, vgl. http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4905800/Strache_Fluchtlingswelle-ist-feindliche-Landnahme.html.
[5] Vgl. F. Menzel und G. Kubitschek in Blaue Narzisse, dokumentiert in: http://www.blog.blauenarzisse.de/8666/landnahme-durch-asylantrag.html.
[6] Vgl. U. Ulfkotte, dokumentiert in: http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/redaktion/sos-eurabien-allahs-stille-landnahme.html.
[7] So der Querfront-Ideologe Jürgen Elsässer, dokumentiert in: https://juergenelsaesser.wordpress.com/2016/01/06/koeln-merkels-invasoren-machen-jagd-auf-frauen/.
[8] Zu den Daten und Interpretationen ausführlich Dörre et al. 2013.
[9] Rassistische Hetze habe in deutschen Unternehmen nichts verloren. Gegen Rassismus müsse es „null Toleranz“ geben, sagte Hofmann im Deutschlandfunk. Wenn man in Betrieben zusammenarbeite, oft mit Menschen aus vielen Ländern, dann könne man nicht dulden, wenn die Belegschaften mit rassistischen Pöbeleien, mit Fremdenfeindlichkeit gespalten würden. „Wer hetzt, fliegt. Und das muss auch jedem klar sein.“ Die Unternehmen könnten bei solchen Entlassungen mit der Billigung seiner Gewerkschaft rechnen. In Dresden habe es daraufhin bis zu 300 Austritte gegeben, erklärte uns ein befragter Experte.
* Dieser Artikel ist ein Vorabdruck mit einer Sondergenehmigung des transcript Verlags und stammt aus dem Sammelband von K.-S. Rehberg / Franziska Kunz / Tino Schlinzig (Hg.): Pegida. Rechtspopulismus zwischen Fremdenangst und Wende-Enttäuschung? Analysen im Überblick. September 2016, 350 S., Bielefeld.
Michael Ebenau
Ich möchte zu dem Text noch drei Anmerkungen machen:
Zu These 1.: Zu den auffälligen Merkmalen der AfD zählt aus meiner Sicht auch, dass sie bislang aus jedem internen Meinungsstreit und aus jeder Spaltung gestärkt hervorgegangen zu sein scheint. Daher ist aus meiner Sicht die verbreitete Hoffnung, sie werde an ihren inneren Widersprüchen und Zerwürfnissen scheitern, ein Irrglaube – man muss davon ausgehen, dass jede noch so rassistische oder nationalistische Zuspitzung zumindest bislang der Profilierung und auch der Stärkung der AfD dient.
Zu These 5.: Abschließend heißt es dort: “Umso wichtiger ist, dass es in der Arbeitswelt überhaupt Aktive gibt, die Diskussionen mit potentiellen Wählern und Sympathisanten rechtspopulistischer Formationen bestehen. Bei der Stärkung gewerkschaftlicher Organisationsmacht und Handlungsfähigkeit geht es daher um sehr viel mehr, als um die Zukunft einer altehrwürdigen Interessenorganisation. Es geht um die Zukunft der Demokratie in einem sozial gespaltenen Land. In diesem Zusammenhang gilt es, jene zarten Pflänzchen zu hegen und zu pflegen, die sich der national-sozialen Gefahr in den Betrieben offensiv widersetzen.” Das ist völlig richtig – allerdings gibt der Begriff “zarte Pflänzchen” die Realität nicht angemessen wieder: Es sind sehr viele Menschen in der Arbeitswelt, die gegen AfD und gegenüber rassistischen Positionen eintreten – der Fehler besteht aus meiner Sicht darin, dass sie zu wenig Beachtung finden. Jahrelang galt in der Bundesrepublik auch die entwickelte Zivilgesellschaft als ein wichtiger Abwehrmechanismus gegenüber rechten Parteien und Positionen. Das ist heute nicht anders, es gibt sie verbreitet auch in der Arbeitswelt. Die Begrifflichkeit “zartes Pflänzchen” wird dem nicht gerecht. Natürlich aber muss diese Zivilgesellschaft gestärkt und auch zum offensiven Eingreifen ermutigt werden – daran fehlt es häufig. Vielfach schränken auch Arbeitgeber die Handlungs- und Artikulationsmöglichkeiten derer ein, die gegen Rassismus und gegen rechte Positionen im Betrieb eintreten – diese Beschränkungen müssen aufgehoben werden.
Und als dritte und letzte Bemerkung: Mir fehlt in dem Text der Gedanke davon, dass reale linke politische Alternativen ebenfalls als Alternative zu rechten und rassistischen Politikansätzen dienen. Immerhin haben wir 2014 in Thüringen erlebt, dass eine rot-rot-grüne Regierungsoption schließlich gewählt wurde – während die AfD bereits überall erstarkte und in anderen Bundesländern von der gefühlten Alternativlosigkeit bei Wahlen profitierte. Nur und allein in Thüringen haben SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen2014 bereits vor der Wahl glaubwürdig formuliert, sich eine Koalition vorstellen zu können – und damit eine politische Alternative angeboten, die die Unterstützung etlicher Akteure der Zivilgeselschaft und schließlich auch eine Mehrheit erhielt. Diese Mehrheit gründete auch auf die Hoffnung, mit einer solchen Regierungskonstellation Möglichkeiten der Partizipation zu erhalten – also selbst Einfluss nehmen zu können anstelle sich auf die Rolle als “Protest gegen…” reduziert zu sehen.
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Bellettini Franco
Wo ist die Kritik an einem Mindestlohn von Euro 8.50 ,
der keine Altersvorsorge garantiert und auch nicht zum
leben reicht ? Anders gefragt , wieso werden
Gewerkschaften die so etwas unterstützen als Linke
dargestellt ? Die Hauptfrage auszublenden dass es
eine echte Linke braucht , umgeht der Text . DAS
sollte zum Nachdenken anregen .
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