Soll sich eine Feministin die Beine rasieren oder nicht? Laurie Penny schreibt dazu: «Der Sturz des Patriarchats wird wahrscheinlich nicht davon abhängen, ob eine Frau einen Netztanga trägt oder sich die Achselhaare wachsen lässt, also bleibt locker. Trefft bewusst Entscheidungen, spielt mit Geschlechterrollen, tragt, was ihr tragen wollt. Feminismus ist mehr als Klamottenstreit erwachsener Mädels, und es gibt wahrlich Wichtigeres.»
Das Buch «Unsagbare Dinge» ist keinesfalls ein Ratgeber für Feministinnen. Viel eher will Laurie Penny eine feministische Meuterei anzetteln. Sie schreibt: «Feminismus ist eine soziale Revolution und eine sexuelle Revolution, und Feminismus gibt sich keinesfalls mit der Missionarsstellung zufrieden.» Dazu werden beide Geschlechter angesprochen: «Ziel des Feminismus ist es ja nicht nur, dass sich die Frauen von Männern emanzipieren, sondern dass sich alle Menschen aus der Zwangsjacke geschlechterspezifischer Unterdrückung befreien.»
Kein Mief, viel Witz
Viele Themen, die Laurie Penny in ihrem Buch aufgreift, sind im Grunde nicht neu. Bereits in den 1970er-Jahren haben Frauen über das Entstehen von Rollenklischees oder über Sexismus diskutiert. Bereits damals gab es Feministinnen, welche die Diskriminierung von schwarzen Frauen oder von Homosexuellen in ihre Forderungen miteinbezogen und das Bild der weissen, reichen, heterosexuellen Feministin aufzubrechen versuchten. Laurie Penny nimmt auf all dies Bezug – ohne alten Mief und mit viel Witz.
Ausgehend von eigenen Erfahrungen verwendet Penny eine moderne und leicht zugängliche Sprache. Es ist nicht bloss ein Neuformulieren von bereits Gesagtem. Durch den Bezug zu ihrem eigenen Alltag aktualisiert Penny alte Themen und denkt sie weiter. Sie zeigt Zusammenhänge von Geschlecht, Geld, Liebe und Macht verständlich auf, ohne in theoretisches Gefasel abzudriften. Wohl deshalb können sich gerade auch junge Leute mit der feministischen Haltung der 28-Jährigen identifizieren und an ihre Sprache anknüpfen.
Barbie und das hässliche Entlein
Penny spricht beispielsweise das Dilemma der weiblichen Schönheit an. Eine Frau muss hübsch und sexuell begehrenswert sein, um von unserer Gesellschaft als «richtige Frau» anerkannt zu werden. Gleichzeitig aber bekommt sie zu hören, dass es oberflächlich und dumm sei, sich auf Äusserlichkeiten zu beschränken: «Das hübsche Mädchen gilt als belanglos, intellektuell uninteressant; (…) Bestenfalls ist sie eine Muse, faszinierend und rätselhaft.»
Zur Attraktivität einer Frau gehört auch ihre Mimik. Penny schreibt: «Mit dem Orgasmus ist es ähnlich wie mit dem Lächeln: (…) Eine Frau ohne ein Lächeln auf den Lippen ist eine Bedrohung. Wie oft ruft uns auf der Strasse ein Wildfremder nach: ‹Komm schon, Mundwinkel hoch›?» Natürlich kann frau dann spielerisch ein Lächeln zaubern, ebenso wie sie einen Orgasmus vortäuschen kann. Wie steht es aber um ihr eigenes Verlangen?
Mehr Fragen als Antworten
In «Unsagbare Dinge» sind es vor allem Vorstellungen von Weiblichkeit und heutigem Frau-Sein, mit denen sich Laurie Penny kritisch auseinandersetzt. Nach der Einleitung und dem ersten Kapitel «Abgefuckte Mädchen» diskutiert sie im Teil «Verlorene Jungs» aber auch Themen rund um Männlichkeitsbilder. Im Kapitel «Antiklimax» spiegelt Penny unsere Geschlechterstereotypen anhand von Pornografie und weiblicher Lust.
Weiter berichtet Penny vom feministischen Engagement im Internet sowie von dessen Chancen und Gefahren. Und zuletzt zeigt sie auf, wie «romantische Liebe» zur Marke und zum Massstab eines erfolgreichen Lebens geworden ist. Dazwischen finden sich viele persönliche Anekdoten, die oft humorvoll und grundehrlich gesellschaftskritische Überlegungen ergänzen.
Laurie Penny wirft in ihrem Buch mehr Fragen auf, als dass sie Antworten gibt. Gerade deshalb ist das Buch keine dogmatische Lektüre. Sie regt zum Nachdenken und vielleicht ja zur Meuterei an.
Laurie Penny: «Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution». Nautilus Flugschrift, 2015.
* Dieser Text erschien erstmals auf www.srf.ch.