Mit ihrem INTRO-Band in der Edition Kritik&Utopie haben die Österreicherinnen Bettina Haidinger und Käthe Knittler eine anregende und wohlproportionierte Einführung in das Themengebiet der feministischen Ökonomie vorgelegt.
Eingestiegen wird mit einem kurzen inhaltlichen Abriss feministischer Ökonomie: Es gehe ihr seit den 1970er-Jahren vornehmlich darum, den unbezahlten Teil der Ökonomie, die spezifische Situation von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinnen sowie die Geschlechterblindheit ökonomischer Prozesse aufzuzeigen. Als vierten Analysegegenstand der feministischen Ökonomie konstatieren Haidinger/Knittler die Verdrängung der Frauen aus der Wirtschaftsgeschichte – einen Umstand, gegen den sie mit dem historischen Abriss im zweiten Kapitel gleich selbst anschreiben.
Im dritten Kapitel entwerfen Haidinger/Knittler ihr eigenes Bild der feministischen Ökonomie. Im Zuge feministischer Erkenntniskritik und der Forderung einer für die Gesellschaft relevanten und verständlichen Wirtschaftswissenschaft charakterisieren sie diese als heterodoxen Ansatz, welcher kritisches und utopisches Potenzial berge. In Bezug auf die Kategoriendiskussion von gender und sex stellen die Autorinnen den konstruktivistischen und den materialistischen (ausführlich: Nancy Fraser) Zugang zu Geschlecht vor. Mit Drucilla Barker sprechen sich die Autorinnen für eine Differenzierung von Genderals einerseits konzeptionelle, andererseits empirische Kategorie aus. Mit dieser Unterscheidung soll das ‹strategische Schweigen› der Ökonomie, welchem die Beschreibungen struktureller Unterschiede und Diskriminierungen zumeist zum Opfer fallen, unterlaufen werden.
Auf diese feminismusgeschichtlichen und -theoretischen Ausführungen folgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem neoklassischen homo oeconomicus als Mass aller Dinge wirtschaftswissenschaftlicher Untersuchungen. Dazu werden nicht nur zentrale ökonomische Kategorien wie Wert, Preis oder Rationalität erklärt, sondern zugleich aufgezeigt, wie die Wirtschaftswissenschaft im Zuge des ‹methodischen Individualismus› entpolitisiert wurde (eine Bewegung, die sich im feministischen Diskurs ebenfalls nachvollziehen liesse, wobei diese Parallele hier ausbleibt). Mit Haug und Frazer wird zum Schluss des vierten Kapitels die These der ‹unheiligen Allianz› diskutiert: das Zusammenfallen feministischer Forderungen und neoliberaler Umstrukturierungen des Arbeitsmarktes, ja der Gesellschaft in den 70er-Jahren. Haidinger/Knittler schliessen lapidar: «Die Befreiung über die Erwerbstätigkeit war wohl eine Sackgasse.»
Mit Mariarosa Dalla Costa und dem Bielefelder Ansatz werden im fünften Kapitel zwei Positionen feministischer Marxismuskritik vorgestellt, die den ‹blinden Fleck› der Haus- bzw. Reproduktionsarbeit innerhalb Marxens Theorie aufgedeckt und bearbeitet haben. Haidinger/Knittler zeigen mit diesen Strängen eine zentrale Verschiebung der Hausarbeitsdebatte auf, die sich von der politischen Praxis entfernte und institutionalisierte, damit aber auch Aufnahme finden konnte in den Themenkanon feministischer Ökonomie an den Universitäten.
Im sechsten Kapitel gehen Haidinger/Knittler genauer auf die quantitative Forschung und deren Bedeutung für die feministische Wissensproduktion ein, etwa als Sichtbarmachung von Machtverhältnissen oder als Verschleierung bzw. Infragestellung von Geschlechterkategorien. Kern dieses Kapitels bildet eine Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Arbeit, Erwerbslosigkeit und Working Poorsowie dem Begriff der Prekarisierung. Schliesslich wird in diesem ansonsten sehr zahlenfreien Buch mit dem Beispiel des Gender-Wage-Gap doch noch etwas mit Zahlen jongliert, wobei das Zustandekommen und Interpretieren ebendieser problematisiert wird.
Höhepunkt dieses Einführungsbandes bildet das siebte Kapitel zur Care- bzw. Reproduktionsarbeit, in dem die Autorinnen die aktuelle Debatte reflektieren. Sie fragen, warum ‹Care› heute in aller Munde, ‹Reproduktion› aber kaum mehr zu vernehmen ist. Mit dem verlorenen Bezug zur marxistischen Terminologie konstatieren sie eine Entpolitisierung der Care-Debatte: Mit dem Care-Begriff werde die kapitalistische Verwertung von Reproduktionsarbeit nicht mehr in Frage gestellt und Lösungsansätze für eine Reorganisation der Sorgearbeit deshalb innerhalb bestehender Machtverhältnisse gesucht. Haidinger/Knittler legen mit diesen Überlegungen pointierte und diskussionswürdige Thesen vor. Sie schliessen das Kapitel mit Erläuterungen zur ‹Kommodifizierung› von Care-Arbeit (Madörin) sowie zu den ‹globalen Betreuungsketten›, dank denen Reproduktionsarbeit ausgelagert werden kann.
Mit Bezug zur Makroökonomie wird im achten Kapitel Sinn und Unsinn des BIP für feministische Wirtschaftsanalysen diskutiert. Danach schliesst der Band mit drei aktuellen Ansätzen der feministischen Ökonomie: Bedingungsloses Grundeinkommen, ‹4-in-1-Perspektive› sowie die Commons – ein Kapitel, das gerne ausführlicher hätte sein können!
Sowohl die Ökonomie als auch der Feminismus werden in Feministische Ökonomie einführend behandelt. Deshalb eignet sich das Büchlein für Nicht-Ökonominnen wie für in Frauengeschichte unerfahrene LeserInnen gleichermassen. Aus feministischer Perspektive hätte ich mir einen stärkeren Fokus auf die Frage der Beziehbarkeit von Frauen und Institutionen gewünscht: Gibt es so etwas wie ein weibliches Unbehagen gegenüber dem kapitalistischen Konkurrenzdenken? Könnte die zahlenmässige Unterlegenheit der Frauen in den Chefetagen auch als Verweigerung vieler Frauen verstanden werden, sich der Konkurrenz als ‹neuer weiblicher Tugend› zu unterwerfen? Als einführende Sicht auf feministische Anliegen aus einer ökonomischen Perspektive ist Feministische Ökonomie aber auf jeden Fall ein Band, den ich griffbereit halte.
Bettina Haidinger, Käthe Knittler: Feministische Ökonomie. mandelbaum: Wien 2014, 168 Seiten.