Als das Credo der Ausländerintegration das historisch gefestigte Narrativ der Überfremdungsgefahr auf den Kopf stellte, war die Euphorie all jener Kreise gross, die jahrzehntelang auf eine gesellschaftliche und politische Anerkennung der Ausländer gehofft hatten. Die ersten sozialwissenschaftlichen Analysen zur offiziellen Ausgestaltung des Ausländeraufenthalts in der Schweiz beschrieben denn auch einen politischen Emanzipationsprozess – von der … vorwärts
Sozialwissenschaften
Jimini Hignett: Mulier Sacer*
Mit mulier sacer werden jene Frauen bezeichnet, die das Bild der Frau als ‹Heilige und Hure› verkörpern. Es sind Frauen, die als Vogelfreie ungestraft getötet werden dürfen, denen als Heilige das Leben aber eben gerade nicht genommen werden kann. Die Autorin Jimini Hignett schliesst sich mit diesem Begriff explizit den Überlegungen Giorgio Agambens und Slavoj … vorwärts
Nachdenken über die Psychiatrie*
Professor Thierry Carrel zeigt in seinem Beitrag (S. 181, „Kontraste in der Medizin“), dass sogar in seinem Fach, der Herzchirurgie, das auf hochkarätige Technik zwingend angewiesen ist, der Mensch, seine Sorgen und Ängste, seine Pflege, vermehrt im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen sollten. Erstaunlich, dass genau dasselbe auch von der Psychiatrie, der Medizin der Seele (bzw. … vorwärts
Mathias Eidenbenz über Claude Lévi-Strauss: Rasse und Geschichte
Manchmal hilft ein Buch. Ich hatte mich in den 1980er Jahren etliche Jahre mit Rassismus beschäftigt. Mit der Rassenpolitik des «Dritten Reichs», ihrer pseudowissenschaftlichen Begründung, mit der Eugenik, ihrer Entstehung, mit der Geschichte der physischen Anthropologie, immer auf der Suche nach den Elementen der Xenophobie und des Rassismus. Eine Menge lässt sich auflösen («analysieren») und … vorwärts
Renaissance der Klassentheorie?*
Bereits vor 20 Jahren vermutete unser geschäftsführender Redakteur Michael Heinrich (1994), wahrscheinlich würden sich nur noch ältere Leser und Leserinnen daran erinnern, dass das Akronym im Titel der Zeitschrift einst für „Probleme des Klassenkampfs“ stand. Er fuhr fort, dass sich mit der Änderung des Titels im Jahr 1976 nicht nur der Name des Projekts PROKLA … vorwärts
Philipp Löpfe über Daron Acemoglu/James A. Robinson: Warum Nationen scheitern
Ich mag gut geschriebene Bücher, Bücher, die eine Geschichte erzählen. Sie dürfen dick sein, und sie müssen nicht aktuell sein, aber sie dürfen mich nicht mit Zahlen erschlagen oder mich mit Fachjargon erdrücken. Aus diesem Grund habe ich meine liebe Mühe mit deutschen Soziologen und französischen Philosophen. Sigmund Freud hat schliesslich bewiesen, dass guter Inhalt … vorwärts
Markus Brunner über Peter Brückner: Die Transformation des demokratischen Bewusstseins
Peter Brückner, heute ziemlich in Vergessenheit geraten, war ab den späten 1960er Jahren bis zu seinem frühen Tod 1982 ein viel gelesener und wohl einer der spannendsten Analytiker der politischen und psychosozialen Situation der BRD. Vor allem aber war er ein Theoretiker der Protestbewegungen. Von der 1968er-Studierendenbewegung über den aus ihrem Zerfall hervorgegangenen bewaffneten Widerstand … vorwärts
Ueli Mäder über Marianne Gronemeyer: Motivation und politisches Handeln
Marianne Gronemeyer analysiert in ihrer Studie «Motivation und politisches Handeln», was sozial Benachteiligte dazu motiviert, sich für eigene Interessen einzusetzen. Sie verknüpft ihre theoretischen Überlegungen mit konkreten Lebensgeschichten. Ich entdeckte ihre Studie im Rahmen unserer Arbeitsgruppe «Kritische Psychologie» an der Uni Basel. Die Studie begleitet mich bis heute. Nach der kollektiven Kapital-Lektüre im Basler Rosshof, … vorwärts
Peter Streckeisen über Pierre Bourdieu: Der Staatsadel
Zweifellos zählt «Der Staatsadel» nicht zu den bekanntesten Büchern Pierre Bourdieus. Die deutsche Ausgabe erschien erst 2004, ganze 15 Jahre nach dem französischen Original. Damit war eine erste Fährte für die Interpretation dieses Buchs verwischt, denn das ursprüngliche Erscheinungsjahr war von höchster symbolischer Bedeutung: Zum 200-jährigen Jubiläum der Französischen Revolution wollte Bourdieu aufzeigen, dass dieses … vorwärts
Das Regenbogenvolk: Schwierigkeiten beim Denken einer Utopie der Revolution. Eine Skizze*
Beim Nachdenken darüber, was für einen spezifischen Beitrag PsychoanalytikerInnen in ihrer Eigenschaft als Staatsbürger zur Erstarkung der Linken leisten könnten, bin ich unlängst auf zwei Themenkreise gestossen (Modena 2012). Zum einen gilt es, dank des fachlichen Wissens über narzisstische Störungen, autoritäre Persönlichkeiten und Massenpsychologie alle demokratischen Kräfte gegen den in Europa galoppierenden Rechtspopulismus und die … vorwärts